VIII ZR 90/14 - BGH-Urteil vom 10.12.2014 - Die nächste Entscheidung zum Auktionsabbruch

    • VIII ZR 90/14 - BGH-Urteil vom 10.12.2014 - Die nächste Entscheidung zum Auktionsabbruch

      Zum Pressebericht:
      juris.bundesgerichtshof.de/cgi…r=69653&linked=pm&Blank=1

      Nr. 185/2014

      Vorzeitiger Abbruch einer eBay-Auktion

      Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Anbieter eine noch länger als 12 Stunden laufende eBay-Auktion vorzeitig beenden und die angebotene Sache anderweitig veräußern kann, ohne sich gegenüber dem bis dahin Höchstbietenden schadensersatzpflichtig zu machen.

      Der Beklagte bot am 17. Mai 2012 auf der Internet-Plattform eBay für die Dauer von zehn Tagen ein Stromaggregat zu einem Startpreis von 1 € an. Am 19. Mai 2012 brach er die Auktion vorzeitig ab. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt zu dem Startgebot von 1 € Höchstbietender und begehrt - nachdem der Beklagte das Stromaggregat anderweitig veräußert hat - nunmehr Schadensersatz in Höhe des Wertes des Stromaggregats (8.500 €).

      Der Beklagte meint, er habe aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay die Auktion ohne weiteres abbrechen dürfen, da sie noch länger als 12 Stunden gelaufen wäre.

      Die Versteigerung erfolgte auf der Grundlage der zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Dort hieß es auszugsweise:

      "§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […]

      § 10 Nr. 1 Satz 5: Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegende Geboten zu streichen."

      Der Link "Weitere Informationen" in § 9 Nr. 11 führte u.a. zu folgenden Hinweisen:

      "Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?

      Wenn Sie einen Artikel auf der eBay-Website einstellen, geben Sie grundsätzlich ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab und sind für die Angebotsdauer dieses Angebots gebunden. Es kann jedoch vorkommen, dass Sie ein Angebot vorzeitig beenden müssen, zum Beispiel, wenn Sie feststellen, dass Sie sich beim Einstellen des Artikels geirrt haben oder der zu verkaufende Artikel während der Angebotsdauer ohne Ihr Verschulden beschädigt wird oder verloren geht.

      Vor dem Beenden eines Angebots gilt:

      • Vergewissern Sie sich, dass Ihr Grund für das Beenden des Angebots gültig ist. […]"

      Im Weiteren hieß es unter anderem:

      "Angebot läuft noch länger als 12 Stunden

      Wenn das Angebot noch 12 Stunden oder länger läuft, können Sie es ohne Einschränkungen vorzeitig beenden. Wenn zum Zeitpunkt der Beendung des Angebots Gebote für den Artikel vorliegen, werden Sie gefragt, ob Sie die Gebote streichen oder den Artikel an den Höchstbietenden verkaufen möchten. […]"

      Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 8.500 € verurteilt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.

      Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3, § 283 Satz 1 BGB in Höhe von 8.500 € zusteht. Zwischen dem Kläger als Höchstbietendem und dem Beklagten ist ein Kaufvertrag über das Stromaggregat zum Preis von 1 € zustande gekommen.

      Das Verkaufsangebot war aus Sicht des an der Auktion teilnehmenden Bieters dahin auszulegen, dass es nur unter dem Vorbehalt einer gemäß § 9 Nr. 11, § 10 Nr. 1 Satz 5 der eBay-AGB berechtigten Angebotsrücknahme stand. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, lag keiner der dort benannten Gründe zur Rücknahme des Angebots vor. Deshalb war das Angebot entgegen der Auffassung der Revision nicht unverbindlich. Denn aus den an § 9 Nr. 11 der eBay-AGB anknüpfenden "Weiteren Informationen" lässt sich nicht entnehmen, dass ein Angebot ohne einen dazu berechtigenden Grund zurückgenommen werden darf. Das gilt auch dann, wenn die Auktion – wie hier – noch 12 Stunden oder länger läuft. Die "Weiteren Informationen" sind lediglich als Ergänzung von § 9 Nr. 11 hinsichtlich der praktischen Durchführung der Angebotsrücknahme zu verstehen. Nach ihrem gesamten Inhalt sollen sie dagegen nicht die – dem Geschäftsmodell einer eBay-Auktion zugrunde liegende – Bindung an das Angebot für die Dauer der Auktion weiter einschränken als dies bereits in § 9 Nr. 11 und § 10 Nr. 1 Satz 5 der eBay-AGB geschieht.

      * § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

      (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (…)

      (3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

      § 283 Schadensersatz statt der Leistung bei Ausschluss der Leistungspflicht

      Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen. (…)

      Urteil vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 90/14

      LG Nürnberg-Fürth - Urteil vom 17. Januar 2013 - 7 O 6876/12

      OLG Nürnberg - Urteil vom 26. Februar 2014 - 12 U 336/13

      Karlsruhe, den 10. Dezember 2014
    • Es gibt immernoch den § 119 BGB Irrtum. Damit kann ich mein angebot immer noch rechtswirksam anfechten, weil z.B. den Startpreis zu niedrig angesetzt habe. Kann ich auch noch vor Gericht erklären.

      da die Angebotsfunktion bei ibäh ziemlich kompliziert erscheint habe ich damit eine gut Chance aus dem Thema rauzukommen. Mein Grundgebot sollte bei 1000€ liegen und nicht bei 1€. Auf die richtige Argumentation kommt es an.
      Solange das vermeintliche Recht Einzelner zum Unrecht für Andere wird gibt es keine Gerechtigkeit. myself

      Das was ich hier sage ist keine Rechtsberatung, sondern stellt meine persönliche Meinung dar und kann zu neuen Denkansätzen beitragen, auch wenn es "rechtlich" nicht immer einwandfrei erscheint.
    • das wird auch nicht so einfach sein wie du es darstellst.... erst recht nicht wenn das Ding schon zwei Tage in der Bucht rumdümpelt und beboten ist. Schon garnicht wenn mehrere Gebote eingegangen sind und der Preis bereits gestiegen.... schon garnicht wenn die Auktion kurz vor Ende ist...
    • Krennz schrieb:

      Es gibt immernoch den § 119 BGB Irrtum. Damit kann ich mein angebot immer noch rechtswirksam anfechten, weil z.B. den Startpreis zu niedrig angesetzt habe. Kann ich auch noch vor Gericht erklären.

      Und wenn du das immer wieder niederschreibst, wird es dadurch nicht richtiger. In Ausnahmefällen kann es sicher zu so einem Irrtum kommen, der dann auch noch nachvollziehbar sein sollte. Da aber der Startpreis von 1€ die häufigste Einstellart bei ebay ist und das Verkaufsformular mittlerweile recht übersichtlich gestaltet ist, dürfte die Glaubhaftmachung eines Irrtums in der Regel schwierig werden. Den Startpreis muss man ja zudem aktiv eingeben, also auch die 1€. Wie soll es da denn zum Irrtum kommen? Wenn die 0-Taste auf der Tastatur nicht funktioniert?
      „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Voltaire

      Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - das nennen sie dann ihren Standpunkt.
    • Krennz schrieb:

      Es gibt immernoch den § 119 BGB Irrtum. Damit kann ich mein angebot immer noch rechtswirksam anfechten, weil z.B. den Startpreis zu niedrig angesetzt habe. Kann ich auch noch vor Gericht erklären.

      Klar kannst Du. Ob das dann verfängt ist die eine Frage. Und (ich sag jetzt nicht, woher ich das habe) Du wirst dir notfalls - zumindest in den nächsten paar Jahren - am 8 Zivilsenat des BGH dann einen 122 abholen.

      Also so wirklich zielführend ist das nicht.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Erstmal von einer Stimme aus dem HG, das komplette Urteil wurde angefordert und wird hier veröffentlicht.

      @Löschbert

      Es gibt bei einem vorliegenden Irrtum keine Schadensersatzpflicht, weil bereits das Vorliegen eines berechtigten Anfechtungsgrundes dazu führt, daß kein Kaufvertrag zustande kommt, der dann tatsächlich angefochten werden müßte oder zu Schadenersatzansprüchen führen könnte.
      Siehe auch entsprechende BGH-Rechtsprechung.
    • Kaiolito schrieb:

      Es gibt bei einem vorliegenden Irrtum keine Schadensersatzpflicht, weil bereits das Vorliegen eines berechtigten Anfechtungsgrundes dazu führt, daß kein Kaufvertrag zustande kommt, der dann tatsächlich angefochten werden müßte oder zu Schadenersatzansprüchen führen könnte.
      Siehe auch entsprechende BGH-Rechtsprechung.
      Dieses Urteil beruht aber auf den alten AGB und in den aktuellen AGB wird ausschließlich auf eine Berechtigung lt. Hilfeseiten verwiesen und dort finde ich nichts was man ähnl. wie die alte Formulierung diesbezüglich auslegen könnte.
      Ob man sich jedoch vor Gericht erfolgreich auf einen Fehler berufen kann, hängt mMn einzig an der Tatsache ob man denn auch unverzüglich eine korrigierte Auktion erstellt hat oder nicht. Wer wegen irgendeines Fehlers abbricht, falsch gesetzte Komma und ähnliche Scherze mal außen vor und unverzüglich eine korrigierte Auktion erstellt, der hat mMn nichts zu befürchten.
      Wer dies nicht tut und dann am besten noch erst vor Gericht mit so einer Begründung daherkommt, der wird mit ziemlicher Sicherheit baden gehen.
    • Kaiolito schrieb:

      weil bereits das Vorliegen eines berechtigten Anfechtungsgrundes dazu führt, daß kein Kaufvertrag zustande kommt,

      Ja, ich weiss. Wird immer wieder gerne behauptet. Dann musst Du mir aber die frage beantworten, wozu rechtsdogmatisch die anfechtung bei Irrtum überhaupt gut sein soll. Ohne Vertrag brauche ich die ja nicht sondern nur, wenn einer zustande gekommen ist. In dem Fall haben wir aber eben den 122 im Nacken. der entfält nur, wenn tatsächlich kein Vertrag zustandegekommen sein soll. Und dazu empfehle ich dir nochmal die geklaute Kamera. Anfechtungsgrund ja, berechtigt ja, Vertrag besteht (und da hängt der Hammmer). Nur kommt man da dann ohne 122 raus, weil sich der Anfechtungsgrund aus einer Straftat generiert.


      Das ist übrigens so nicht meine Meinung. Bzw nicht nur. Ich war heute ja in Karlsruhe und da konnte ich jemanden fragen, der sich damit zwingend auskennen werden muss, sobald man ihn danach fragt. Wenn ich zur Verhandlung nichts geschrieben habe, dann deshalb, weil es keine Überraschung gegeben hat. Über die Veröffentlichung des Urteils im Volltext bekomme ich wie immer eine Mail.

      Für Tippfehler übernehme ich gerade keine Haftung, ich sitze hier irgendwo in der Walachei im Auto und nutze ein mir netterweise freigegebenes WLAN über den Laptop. ;)
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Löschbert Bastelhamster schrieb:

      Klar kannst Du. Ob das dann verfängt ist die eine Frage. Und (ich sag jetzt nicht, woher ich das habe) Du wirst dir notfalls - zumindest in den nächsten paar Jahren - am 8 Zivilsenat des BGH dann einen 122 abholen.

      Ja, aber im Gegensatz zu einem nicht erfüllten Vertrag kommt hier nicht der Erfüllungsschaden (positives Interesse) zum Zug sondern der Vertrauensschaden (negatives Interesse). Und der dürfte in der Regel gegen 0 tendieren. Insofern bleibt eine erfolgreiche Anfechtung eines Vertrages finanziell meist folgenlos für den Anfechter.
      „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Voltaire

      Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - das nennen sie dann ihren Standpunkt.
    • Ich weiss, das Ding mit dem "Vertrauensschaden" hat pandarul hier ja schön ausgewalzt. Aber...

      biguhu schrieb:

      Und der dürfte in der Regel gegen 0 tendieren.
      ...das dürfte tendenziell letztinstanzlich ein Irrtum sein. Na, lassen wir uns mal überraschen, wann da was kommt.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.