Treibt Amazon seine Marketplace-Händler in die Insolvenz?

    • Mark Steier schrieb:

      Was macht Amazon da,

      Steht doch schon auf t3n:
      "Grundlage für diese Prüfungen sind Geldwäschebestimmungen der EU."

      Falsch ist allerdings:
      "Eine Neuauslegung der zugrundeliegenden Richtlinie sorgt aktuell dafür, (...)"

      Das ist keine Neuauslegung, das ist ganz einfach geltendes Recht. Solltest Du dich im Juni 2012 darüber gewundert haben, dass ebay innerhalb von wenigen Tagen sein geplantes hauseigenes Zahlungssystem über die ebay Srevizces SarL "bis auf weiteres" eingestampft hat dann bist Du mit Fragen dazu bei mir genau an der richtige Adresse. (Tatsächlich hat das Zahlungssystem bei ebay aber schon seit Dezember 2011 gewackelt)

      ebay hat das nicht freiwillig zurückgestellt, ebay hat ganz einfach von der CSSF und der BaFin vorgeschrieben bekommen, dass sie dafür eine Lizenz als Zahlungsdienstleister benötigen. Die von der CSSF erteilte Vorabgenehmighung zum Testlauf war ausschliesslich für Luxemburg erteilt worden, was auch zu der Verwirrung bei ebay intern geführt hat, ob das nun noch kommen kann oder nicht.

      Hintergrund ist (in Deutschland) das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten, besser bekannt als Geldwäschegesetz oder kurz GwG. Ich meine, Axel hat damals auch darüber berichtet.

      Nach §2 GwG gilt:
      (1) Verpflichtete im Sinne dieses Gesetzes sind, soweit sie in Ausübung ihres Geschäfts oder Berufs handeln,
      (...)
      2a. Institute im Sinne des § 1 Absatz 2a des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes und im Inland gelegene Zweigstellen und Zweigniederlassungen von Instituten im Sinne des § 1 Absatz 2a des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes mit Sitz im Ausland,
      (...)
      2c. Unternehmen und Personen, die E-Geld im Sinne des § 1a Absatz 3 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes eines Kreditinstituts im Sinne des § 1a Absatz 1 Nummer 1 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes vertreiben oder rücktauschen,
      (...)
      13. Personen, die gewerblich mit Gütern handeln.

      Quelle: gesetze-im-internet.de/gwg_2008/__2.html

      Wieso ich Ziffer 13 dazugepackt habe dazu kommen wir später.

      ebays Zahlungsdienst wäre nun entweder ein Abs. 1 Ziff. 2a oder 2c gewesen. Jedenfalls hätten sie eine Lizenz benötigt und dazu hätten sie sicherstellen müssen, dass sie über die Identifizierungspflichten nach §4 GwG hinaus auch die verstärkten Sorgfaltspflichten gem. §6 Abs. 2 GwG einhalten.

      §6 Abs. 1 besagt dabei: Soweit erhöhte Risiken bezüglich der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung bestehen können, haben Verpflichtete zusätzliche, dem erhöhten Risiko angemessene verstärkte Sorgfaltspflichten zu erfüllen. § 3 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 6 findet entsprechende Anwendung.

      In Abs. 2 findet sich dann:

      Insbesondere in folgenden Fällen ist von einem erhöhten Risiko auszugehen und sind die nachstehend jeweils aufgeführten verstärkten Sorgfaltspflichten zu erfüllen:
      (...)
      2.
      Ist der Vertragspartner eine natürliche Person und zur Feststellung der Identität nicht persönlich anwesend, hat der Verpflichtete die Identität des Vertragspartners zu überprüfen anhand
      a) eines Dokuments im Sinne des § 4 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1,
      b) einer beglaubigten Kopie eines Dokuments im Sinne des § 4 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1,
      c) des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes oder
      d) einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes.

      Dass der Vertragspartner zur Feststellung der Identität nicht persönlich anwesend ist, ist bei ebay (und amazon) allerdings kein Ausnahmefall sondern die Regel. Für ebay hätte das bedeutet, dass sie jeden, der diesen Zahlungsdienst nutzen will, vorher "anhand einer beglaubigten Kopie eines Dokuments im Sinne des § 4 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1," (gemeinhin als Persokopie bekannt) identifizieren müssen. Und zwar, aufgrund der Tatsache, dass sie den Zahlungsdienst komplett integriert hätten, sowohl die Verkäufer als auch die Käufer.

      Mit anderen Worten: ebay hätte für den Zahlungsdienst damals alle ebay-Nutzer postidentprüfen müssen um überhaupt eine Lizenz für den Zahlungsdienst zu bekommen.

      Alternativ hätten sie das (siehe §2 Abs. 1 Ziff. 13 ) auf die gewerblichen Verkäufer abwälzen können. Dann hätten die von den Käufern die beglaubigten Kopien bekommen. Kleiner Nachteil daran: das steht seit Frerk-Malte Feller als unzulässig in den ebay-AGB (FMF-Klausel, IIRC auch auf wf). Ausserdem könnte dann jemand auf den Gedanken kommen, dass PP ja auch nicht prüft und daher das Akzeptieren von PP-Zahlungen auf ebay schlicht unzulässig ist. Alternativ ist es wettbewerbswidrig.

      So - was ist jetzt bei amazon los. Amazon hat ja eine Lizenz als E-Geld-Institut. Schon lange und erteilt wurde die von der CSSF. Ohne dass eine Prüfung der Nutzer gem. §§2,6 GwG erforderlich war. Liegt daran, dass amazon diese Lizenz bekommen hat, bevor die EU-Richtlinie in nationale Gesetze umgesetzt wurde. Da gab es also eine Art Bestandsschutz, solange das so lief, wie es eben lief. Vielleicht auch, weil sich am Geschäftsmodell nichts getan hat - also sagte sich die CSSF, solange das problemlos läuft und nichts geändert wird greifen wir da nicht ein, dafür wurde ja mal eine Lizenz erteilt.

      Nun hat allerdings amazon leider den Fehler begangen, sich auf neue Märkte auszudehnen und dafür die amazon payment ins Spiel zu bringen. Wenn ich mich richtig erinnere war das die Geschichte mit Apple Pay. Dabei wurde dann die Lizenz von amazon (die dann AFAIK an payment ging) mal auf den Prüfstand gestellt und neu untersucht. Weil es ja nun eine grundlegende Änderung im Geschäftsmodell gab.

      In der Folge hat amazon seine Händler dazu aufgefordert, sich entsprechend §6 GwG zu identifizieren. Das ist aber schon länger her. Ich meine, es war letztes Jahr im Sommer. Müsste es auch bei wf im Archiv was dazu geben.

      Warum amazon die Händler nun auffordert, sich erneut und immer wieder zu idetifizieren kann ich dir aber auch nicht genau sagen. eventuell hat es mit der Neugliederung bei amazon paypments zu tun.

      Das hier:
      Amazon suspendiert aus nicht nachvollziehbarem Grund hunderte an Marketplace-Händlern.
      ist für mich so durchaus nachvollziehbar. Wenn intern die Identifizierung nicht durchläuft (warum auch immer) riskiert amazon payments nämlich seine Lizenz. Damit sind sie dann ungefähr so tot wie das "neue ebay-Zahlungssystem". Höchst hinderlich für eine Firma, die genau damit und sonst nichts ihre Gewinne machen will.

      Hier
      Und das, obwohl alle geforderten Dokumente fristgerecht eingereicht worden sind.
      wird es dann schon etwas merkwürdiger. Allerdings ist das dann erklärlich, wenn die internen Abläufe bei amazon so lahmarschig sind wie bei ebay. Dann braucht es ungefähr 12 Monate, bis sich die Dateneingabe an die entsprechende verantwortliche Stelle rumdiskutiert hat. ;)

      Jedenfalls steht für amazon da sein Geschäftsmodell für das Payment auf dem Spiel. Ein Fehler und sie können das Teil einstampfen. Ich vermute mal, dass die da lieber einen zuviel rauskegeln als einen zu wenig. Sieht scheisse aus, wenn im Quartalsbericht an die Shareholder drinsteht: "wegen Klaus Kleinbürger aus Müller-Lüdenscheidt haben wir die Karre vor die Wand gefahren - Lizenz weg - Umsatzerlöse in Q3/2015 daher 0,00 Euro".

      Warum bei manchen die Prozedur ohne Probs durchläuft und bei anderen nicht kann ich so aber auch nicht erkennen. Dazu müsste man eine ganze Reihe an Einzelfällen im Detail anschauen. Ich könnte mir vorstellen, dass es zum einen an fehlenden Beglaubigungen (amtlich!) der Unterlagen liegt, eventuell besteht auch eine Diskrepanz zwischen den Daten auf dem Ausweis und den Anmeldedaten in der Firma und im Account. Lass einen Ausweis auf eine veraltete Anschrift lauten oder lass den Firmeninhaber / Geschäftsführer gewechselt haben oder seit Anmeldung an den Daten was geändert worden sein (Unternehmensforn etc) schon kann es da zu Probs kommen. Dabei ist es dann egal, ob die Unterlagen rechtzeitig eingeschickt wurden. Ausschlaggebend dürfte sein, dass die Daten mit denen im Account sklavisch genau übereinstimmen.

      Warum amazon die Käufer nicht prüft hat übrigens einen ganz einfachen Grund: bei denen ist nicht per se vorgesehen, dass sie mit PP zahlen. Das war der Punkt, an dem die CSSF für ebay Stop gesagt hat. Weil PP nicht prüft. Oder andersrum: die CSSF weiss, dass PP die Anforderungen des GwG nicht erfüllt. Nur läuft deren Lizenz ebenfalls noch unter Bestandsschutz. Aber wie mir mein freundlicher Kontakt bei der CSSF am Telefon schon mitgeteilt hat: "wir können eine von uns erteilte Lizenz auch jederzeit widerrufen."
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Mark Steier schrieb:

      oder sind's die Händler selber schuld ?

      So, der zweite Teil der Frage. ;)

      Kurze Antwort darauf: es zwingt sie niemand dazu, auf amazon anzubieten. Nur wenn sie es machen, dann zwingt sie amazon dazu, amazon payment anzubieten. Sie können es aber auch lassen.

      Mein Mitleid mit denen hält sich ungefähr in ebenso engen Grenzen wie mit denen, die auf die Propagandalügen von Paypal reinfallen.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.