Verkaufsagentenprogramm: Eine ziemlich vernichtende Bilanz

    • Verkaufsagentenprogramm: Eine ziemlich vernichtende Bilanz

      Nachfolgend ein Beitrag von bubu.m aus dem ebay Forum

      Ich kopiere diesen Beitrag mal hier herein, da das Thema Verkaufsagenten immer noch aktuell ist:



      Im April 2002 startete eBay mit dem Verkaufsagentenprogramm. Wenn man sich nach 2 1/2 Jahren die Zahlen ansieht, ist die Bilanz mehr als ernüchternd. Trotzdem hat eBay in den letzten Wochen die Promotion für dieses Programm wieder deutlich verstärkt.

      Viele Klein- und Kleinstunternehmer haben sich in den letzter Zeit als Verkaufsagenten selbständig gemacht und ein Ladenlokal angemietet. Die Hoffnungen auf ausreichende Umsätze und kostendeckende Erlöse werden sich aber für den überwiegenden Teil dieser Neu-Unternehmer nicht erfüllen. Ein Scheitern ist hier vielfach vorprogrammiert. Die nachfolgende Zahlen dürften relativ wirklichkeitsnah das wiedergeben, was Existenzgründer als Verkaufsagent erwartet.

      Letzte Woche habe ich 65 Verkaufsagenten mit eigenem Ladenlokal genauer analysiert. Diese habe ich der folgenden eBay-Liste entnommen, bei der man sich diese Gruppe gezielt anzeigen lassen kann:

      contact.ebay.de/ws1/eBayISAPI.dll?TradingAssistant&page=main

      791 VAs mit Ladenlokal werden dort benannt. Ca. 400 davon haben mehr als 300 Bewertungen. Wenn man sich die Accounts allerdings genauer ansieht, finden sich eine Reihe von Händlern, die zwar als VA ihre Dienste anbieten, ihren Umsatz aber ganz überwiegend mit anderen Handelsaktivitäten erwirtschaften. Auch sind dort viel Anbieter aufgeführt, die insgesamt nur geringe Umsätze machen.

      Die untersuchten Händler:

      In die Analyse habe ich nur solche Händler mit Ladenlokal aufgenommen, die ganz überwiegend als Verkaufsagenten tätig sind, mindestens 300 Bewertungen aufweisen und zumindest 1.500 Euro im Monat umsetzen. Als Entscheidungshilfe habe ich die Auktionen, die "Mich"-Seite und in vielen Fällen die verlinkte Website der Verkäufer herangezogen. Zur statistischen Auswertung habe das Programm "SBF" genutzt. Damit ist u.a. möglich, sich den Umsatz der letzten 30 Tage, die Zahl der verkauften Artikel und den durchschnittlichen Umsatz je Stück anzeigen zu lassen. Stichtag war der 23.09.04.

      Einige der untersuchten Händler könnten mit weiteren Accounts noch zusätzliche Umsätze erzielen. Diese beziehen sich aber dann vermutlich nicht auf das typische VA-Geschäft mit privaten und kleineren gewerblichen Einlieferern. Zum Teil wird auch auf anderen Plattformen Ware eingestellt, wobei die Umsätze dort aber verhältnismäßig gering sein dürften. Das haben mir so einige VAs auch bestätigt.

      Die 65 untersuchten Verkaufsagenten hatten zwischen 317 und 4.419 Bewertungspunkte. Der Durchschnitt liegt bei 593. Allerdings sind auch einige Verkäufer darunter, die ältere Accounts mit vorhandenen Bewertungen in ihr VA-Geschäft eingebracht haben.

      Den größte VA - "dropshop-de" aus München - habe ich in die statistische Auswertung nicht einbezogen. Mit einem Monatsumsatz von ca. 60.000 Euro ist er mehr als 3 mal größer als der umsatzmäßig zweitstärkste erfaßte Account. Bei "dropshop-de" ist auch der hohe Aufwand für Personal und Räumlichkeiten untypisch für den Rest der Brache.


      Der Umsatz:

      Der durchschnittliche Umsatz eines VA-Shops für die letzten 30 Tage beträgt 5.602 Euro. Die Spanne reicht von 1.500 bis 16.600 Euro. Klassifiziert man die Daten, so kommen nur 8 von 65 VAs (=12%) auf einen Umsatz von über 10.000 Euro.

      Umsatz >10.000 Euro................8 Verkaufsagenten (= 12 %)
      Umsatz 7.000 bis 9.999 Euro.......10 Verkaufsagenten (= 15 %)
      Umsatz 3.000 bis 6.999 Euro.......31 Verkaufsagenten (= 48 %)
      Umsatz 1.500 bis 2.999 Euro.......16 Verkaufsagenten (= 25 %)

      (2 der 8 Verkaufsagenten die über 10.000 Euro liegen, kamen nur durch den Verkauf eines PKWs in diese Umsatzklasse.)

      Die Zahl der verkauften Artikel:

      Durchschnittlich hat jeder Verkaufsagent 145 Artikel im Untersuchungszeitraum (30 Tage) verkauft. Die Spannweite reichte von 35 bis 695 Artikel.

      Verkaufte Artikel >250...........4 Verkaufsagenten (= 6 %)
      Verkaufte Artikel 150-249.......19 Verkaufsagenten (= 29 %)
      Verkaufte Artikel 100-149.......24 Verkaufsagenten (= 37 %)
      Verkaufte Artikel <99...........18 Verkaufsagenten (= 17 %)

      Der durchschnittliche Erlös je Artikel

      Insgesamt gingen 9.436 Verkäufe in die Untersuchung ein. Bezogen auf den Gesamtumsatz aller VAs ergibt das einen durchschnittlichen Artikelerlös von 38,58 Euro.

      Betrachtet man die einzelnen Accounts, liegen die durchschnittliche Artikelerlöse in einer Spanne von 8 und 101 Euro. Nur ein VA kommt dank eines verkauften PKWs auf 114 Euro. Bei der Hälfte aller untersuchten Accounts liegt der durchschnittlichen Artikelerlös zwischen 25 und 60 Euro.

      Vorläufiges Fazit:

      Um als Alleinunternehmer mit einem Verkaufsagenten-Shop halbwegs mit einem Mini-Einkommen überlebensfähig zu sein, bedarf es eines Umsatzes von mindestens 10.000 Euro. Je nach eigener Kostenstruktur (Ladenmiete, Ausstatattung, Werbung, etc.) können es aber auch schnell 15.000 Euro und mehr notwendig sein. Nur wenige der untersuchten Verkaufsagenten schaffen annährend einen solchen Umsatz und bei denen sind oft noch zusätzliche Kosten (Personal, 2. Teilhaber) zu berücksichtigen.

      Es scheint offensichtlich nicht möglich, ausreichend Umsatz aus dem Bereich Privatkunden und kleinere Geschäftskunden zu akquirieren. Auch Shops mit guten Werbekonzepten oder guten Standorten kommen nur auf verhältnismäßig bescheidene Umsätze.

      Kritisch ist auch der durchschnittliche Wert der eingelieferten Artikel. Bei ca. 40 Euro ist das Verhältnis zwischen Aufwand und Kosten sehr ungünstig. Außerdem wird die Zeit ein limitierender Faktor. Ein einzelner VA schafft es kaum, monatlich mehr als 200-250 einzelne Artikel anzunehmen, Beschreibungen zu fertigen, den Versand abzuwickeln und dann noch die aufwendige Abrechnung zu erstellen. Da kann man auch bei ausreichender Anlieferungsmenge nicht auf einen grünen Zweig kommen.

      Mit einigen VAs habe ich telefoniert. Die waren teilweise ziemlich ratlos wie es bei ihnen weitergehen soll. Am Arbeitseinsatz kann es nicht liegen, denn die Regel sind 60 Arbeitsstunden in der Woche. Einige setzen noch auf ein besseres Weihnachtsgeschäft.

      Die in den Medien oft gepriesene Idee vom VA-Laden ist ein Flop. Auf dieser Basis sollte man keine selbständige Existenz aufbauen. Das sollte auch den verantwortlichen eBay-Managern bewußt sein, wenn sie ihre Zahlen kritisch analysieren. Soweit es - außer für eBay - im VA-Geschäft Geld zu verdienen gibt, dann gilt das für Spezialisten denen es gelingt, lägerfristig Marktnischen zu besetzen. Mit dem klassischen Konzept "Ladengeschäft" dürften die aber nicht zu finden sein.

      Die genau Auflistung der Umsätze etc. sind im ebay Forum leider nicht mehr aufrufbar. Beim Wortfilter ist dieser Beitrag mit dem Umsätzen jedoch noch zu finden.

      Zum Beitrag von bubu.m auf Wortfilter.de
      Gruß

      Manni :D

      >> Stiehlt einer ein Geldstück, dann hängt man ihn. Wer öffentliche Gelder unterschlägt, wer durch Monopole, Wucher und tausenderlei Machenschaften und Betrügereien noch so viel zusammenstiehlt, wird unter die vornehmen Leute gerechnet. << Erasmus von Rotterdam, Humanist und Universalgelehrter, 1466 - 1532
      "Die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat." Zitat aus dem Film "Justiz"
    • RE: Verkaufsagentenprogramm: Eine ziemlich vernichtende Bilanz

      Danke für den aufschlußreichen Bericht, aber wirklich überraschen tut mich das Ergebnis nicht. Die Zielgruppe der VA sind diejenigen, die ihr nicht mehr benötigtes Eigentum nicht bei den klassischen Kleinanzeigen einstellen (können oder wollen) und gleichzeitig nicht in der Lage sind, ebay zu bedienen. In einer Zeit, in der selbst ältere Generationen zunehmend mit dem Computer umgehen können, wird diese Zielgruppe, die ohnehin schon klein war, immer geringer.

      Und dann kommen da noch die Risiken hinzu, die sich aus der Vertragskonstellation ergeben. Als VA ist nämlich der Vertragspartner und nicht nur Vermittler. Er haftet also voll und muß auch noch das Widerrufsrecht gewähren etc. Das VA-Programm kann also allenfalls eine Ergänzung sein, niemals den Lebensunterhalt abdecken.
      „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Voltaire

      Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - das nennen sie dann ihren Standpunkt.
    • @auktions-manni

      Die zitierte Längsschnittuntersuchung hatte ich über 12 Monate fortgesetzt. Das Ergebnis war in Posting #239 der ursprünglichen Diskussion zusammengefasst. Das ist nachfolgend wiedergegeben. (Die enthaltene Tabelle muß man gegebenenfalls 2 mal zum vergrößern anklicken.)

      Die Untersuchung ist zwar alt, zeigte aber schon damals die Hauptprobleme dieses Geschäftsfeldes auf. Tatsächlich dauerte es bis Mitte 2006, befor eBay die Werbung und Promotion für das Verkaufsagentenprogramm reduzierte, welches viele Existenzgründer und Ich-AGler in die Pleite geführt hatte. In einem weiteren Artikel (ebenfalls von Wortfilter übernommen) hatte ich Gründe des Scheiterns aufgezeigt:

      wortfilter.de/News/news1040.html

      Übrigens hat es auch die hochgelobten großen Verkaufsagenten wie Dropshop /München, Sell/Bielefeld, Paketeria/Berlin oder clevereasy/Hildesheim getroffen. Drei von ihnen sind inzwischen pleite. Nur Clevereasy hat es geschafft, das Geschäftsfeld rechtzeitig zu wechseln.

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      bubu.m (33 ) Angebotene Artikel 02-Okt-05 18:00 CEST 239 von 312

      Update: September-Zahlen für die VA-Stichprobe

      Nach einem Jahr Diskussion in diesem Thread und 13 erfassten Umsatzmonaten wird die hier begonnene Untersuchung nun abgeschlossen. Über 100.000 Verkäufe der Stichprobe von anfangs 65 Verkaufsagenten wurden dazu ausgewertet. 31 davon sind noch aktiv. Von denen kommen aber nur 7-8 Händler auf regelmäßige Umsätze über der 10.000 Euro Schwelle.

      Viele Träume von Selbständigkeit sind in dieser Zeit geplatzt. Einige Existenzgründer haben eine Menge Lehrgeld gezahlt und sind trotzdem gescheitert. Für die meisten der Verbliebenen ist das VA-Geschäft mittlerweile nur noch eine Nebeneinnahme, mit viel Arbeitsaufwand für relativ geringe Erträge.

      Eines der größten Probleme für Verkaufsagenten ist die geringe Wertigkeit eingelieferter Ware. Kein anderer Wert war über die Monate so stabil wie die durchschnittlichen Artikelerlöse. Das arithmetrische Mittel schwankt um etwa 40 Euro und der Median liegt noch deutlich darunter. Wenn man den Aufwand für die Auktionen berücksichtigt (Warenannahme, Fotos, Einstellen, Versand, Abrechnung etc.), gibt es an VA-Provisionen da nicht viel zu verdienen.

      Die September-Umsätze 2005 bleiben deutlich hinter den Rekordzahlen aus August zurück. Das mag teilweise urlaubsbedingt sein. Es fanden sich diesmal auch weniger höherpreisige Güter (Boote, Motorräder, Möbel) wie im Vormonat.

      [Blockierte Grafik: http://i42.tinypic.com/149mwys.jpg]

      Sämtliche Daten wurden am 01.10.05 rückwirkend für 31 Tage erhoben. In den nächten Tagen werde ich noch eine detailiertere Gesamtauswertung der letzten 12 Monate zusammen stellen.

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