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Welt am Sonntag Drucken Bewerten Autor: Stefan Laurin| 07:27

Streit um eine Vorzeigefirma

Der Düsseldorfer Internet-Dienstleister Euroweb glänzt mit einem beeindruckenden Wachstum und heimst viele Preise ein. Doch nun häufen sich die Beschwerden über die Geschäftspraktiken des Unternehmens

* Die Erstellung einer Homepage ist zwar wie versprochen kostenlos, doch hinterher fallen vier Jahre lang Kosten für die Bereitstellung, Pflege und Aktualisierung der Seiten an

* Betroffene sagen, man habe ihnen mündlich ein Rücktrittsrecht vom Vertrag eingeräumt, das später nicht mehr gegolten habe

Es ist eine beeindruckende Unternehmensgeschichte. Mitten in der Dotcom-Krise des Jahres 2001 übernahmen Christoph Preuß und Daniel Fratzscher ein angeschlagenes Internet-Unternehmen und gründeten die Firma Euroweb. Ihre Idee: Internetseiten für kleine und mittelständische Unternehmen erstellen. Ihr erstes Büro: eine kleine Altbauwohnung in Düsseldorf. Fast zehn Jahre später hat die Euroweb-Group an die 600 Mitarbeiter. Die Zentrale des Unternehmens residiert im obersten Stockwerk eines lichtdurchfluteten Glasbaus in Düsseldorf-Heerdt. Standorte in Berlin und Österreich zeugen von Erfolg und vom Willen zum Wachstum.

Gut 37 000 Unternehmen brachte Euroweb bislang ins Internet. Aktuell werden gut 20 000 Kunden betreut. Die Erstellung von Videofilmen, redaktionelle Unterstützung und die Durchführung von Online-Werbemaßnahmen runden das Angebotsspektrum ab.

Doch Kritiker werfen dem Unternehmen vor, beim Anwerben von Kunden nicht immer seriös zu agieren. So sollen potenzielle Kunden ohne ihre vorherige Einwilligung von Euroweb-Mitarbeitern angerufen werden. Das sagt der Nürnberger Rechtsanwalt Stefan Musiol, als Kritiker von Euroweb bekannt. Er selbst sei ohne seine Zustimmung im August via Telefon von Euroweb kontaktiert worden. Solche "Cold Calls" sind in Deutschland verboten.

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In Marketingleitfäden, die der "Welt am Sonntag" vorliegen, werden die Euroweb-Außendienstmitarbeiter angehalten, Kunden zu einem schnellen Abschluss zu drängen. Viele, die einen Vertrag mit Euroweb abgeschlossen haben, machen sich erst danach bewusst, dass zwar, wie versprochen, die Erstellung der Homepage kostenlos ist; dass aber über vier Jahre monatlich Kosten für Pflege, Bereitstellung und Aktualisierungen der Seite anfallen. Nach Angaben von Rechtsanwalt Musiol betragen diese Kosten monatlich zwischen 130 und 300 Euro. Noch dazu sind diese Beträge ein Jahr im Voraus fällig. Das ist für kleine Unternehmen oft eine große Belastung. Ihnen wird gesagt, sie seien Referenzkunden, in die Euroweb mehrere Tausend Euro investieren will, um in der Region neue Kunden zu gewinnen. Außerdem räumen, nach Aussage von Betroffenen, Euroweb-Außendienstler häufig mündlich ein Rücktrittsrecht ein, das nicht mehr gelte, wenn der Kunde später tatsächlich wieder vom Vertrag zurücktreten möchte.

Nach Auskunft des Amtsgerichts Düsseldorf hat Euroweb in den vergangenen Jahren über 2000 Urkundenprozesse gegen säumige Kunden geführt. Und fast alle gewonnen. Der Geschäftsführer der Euroweb Internet GmbH, Christoph Preuß, hält die Vorwürfe zum großen Teil für nicht gerechtfertigt: "Mir ist jeder Kunde wichtig, und ich will keinen unzufriedenen Kunden. Aber wir müssen, wie jedes Unternehmen, bei Kunden, die nicht zahlen wollen, ein Inkassoverfahren einleiten, das als letzte Konsequenz vor Gericht endet."

Längst seien die Marketingleitfäden überarbeitet und die kritischen Passagen getilgt worden. Einblick in diese überarbeiteten Leitfäden gewährt Preuß allerdings nicht. Euroweb habe, so sagt er, nicht viele juristische Auseinandersetzungen mit Kunden: "Die allermeisten sind zufrieden. Unsere Prozessquote ist nicht höher als bei anderen Unternehmen." Bevor es zum Prozess komme, setze man sich mit den Kunden auseinander. "Wir gehen jeder Beschwerde nach", sagt Preuß, "und bieten Kunden auch vor dem anwaltlichen Inkasso alternative Zahlungsmodalitäten oder andere Vergünstigungen an, wenn das hilft, das Problem zu lösen und damit dann auch unseren Kunden geholfen ist. Wenn Kunden aber von sich aus sofort einen Rechtsanwalt einschalten, ist uns dieser Weg der direkten Kommunikation verbaut und der Fall landet fast zwangsläufig vor Gericht - wohl auch, weil Rechtsanwälte auf diese Weise am meisten Gebühren verdienen und es forcieren." Auch den Vorwurf, es seien mündliche Rücktrittsrechte eingeräumt worden, die später nicht mehr gelten, weist Euroweb-Geschäftsführer Christoph Preuß zurück: "Unsere Mitarbeiter werden schriftlich und in Schulungen eingehend darauf hingewiesen, welche Aussagen gegenüber dem Kunden gemacht werden dürfen und welche nicht. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass mündlich Nebenabreden nicht gemacht werden dürfen." Sollten sich Außendienstmitarbeiter nicht an die Richtlinien von Euroweb halten, würde man sich sogar von ihnen trennen. Auch "Cold Calls" gebe es nicht.

Preuß führt als Rechtfertigung außerdem an, dass Euroweb ausschließlich Unternehmen als Kunden habe. Und die müssten sich bewusst sein, welche Bedeutung Verträge im Geschäftsleben haben. "Es gibt kein Rücktrittsrecht für Unternehmen. Und wir sind doch nicht der erste Vertragspartner für diese Firmen. Viele haben doch vorher schon einen Leasing- oder Mietvertrag unterschrieben und kennen sich im Geschäftsleben aus."

Sollte wirklich nichts dran sein an der Euroweb-Kritik? Kommt sie nur von Wettbewerbern, die das Unternehmen in Internetforen schlechtmachen? Oder von Anwälten, die Geld mit Verfahren gegen Euroweb verdienen wollen und zufriedene Kunden gegen den Internet-Dienstleister aufstacheln?

Einer der Anwälte, die häufig Mandanten gegen Euroweb vertreten, ist Thorsten Wachs. "Ich muss keine Mandanten überreden, gegen Euroweb zu klagen", sagt er: "Das Unternehmen schafft es ganz allein, viele Kunden gegen sich aufzubringen." Viele seien überrascht, dass ein mündlich versprochenes Rücktrittsrecht nicht gelte. Und sie wunderten sich über die hohen Kosten, die nach der kostenlosen Erstellung einer Webseite auf sie zukommen.

In einem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Hildesheim vom Januar dieses Jahres beanstandeten die Richter den Umgang mit den sogenannten Referenzkunden und die Behauptung einer angeblichen Vorzugsbehandlung: "Gerade der bewusst erweckte Anschein des Vergleichs desselben Vertriebsmodells für verschiedenen Kunden stellt (...) eine arglistige Täuschung dar."

Mittlerweile organisieren sich die Euroweb-Kritiker. Der Tierarzt Thorsten Romaker aus dem niedersächsischen Meine baut derzeit einen Verein der Euroweb-Geschädigten auf: "Euroweb setzt schon in den Verkaufsgesprächen die Kunden unter Druck und zeigt sich später wenig kulant, wenn die aus den Verträgen wieder rauswollen." Romaker und seine Mitstreiter wollen den Menschen Mut machen, sich zu wehren. "Die Unternehmen unterschreiben einen Werkvertrag mit Euroweb, und den muss man auch wieder kündigen können."

Für Anwalt Thorsten Wachs hat der Fall Euroweb auch eine politische Dimension: "Es werden immer mehr Menschen in die Selbstständigkeit gedrängt. Für den Staat ist das ein beliebtes Mittel, um die Arbeitslosenstatistiken zu verschönern." Man könne bei vielen dieser Unternehmen nicht davon ausgehen, dass sie über alle juristischen Finessen des Geschäftslebens informiert seien. "Es wäre zu überlegen, auch kleinen Unternehmen ein Widerrufsrecht von Verträgen einzuräumen, so wie es das für Privatleute gibt", sagt Wachs: "Es ist von der Politik verantwortungslos, ihnen dieses Recht nicht einzuräumen."