BGH entscheidet zur Erfordernis der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung

    • BGH entscheidet zur Erfordernis der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung

      Pressemeldung des BGH Nr. 005/2025 vom 15.01.2025

      Der Bundesgerichtshof prüft Nichtzulassungsbeschwerden gegen Entscheidungen mehrerer Berufungsgerichte betreffend die Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung in Neuwagenkaufverträgen mit Verbrauchern.

      Grundsätzlich steht hier die Frage im Raum, ob eine Widerrufsbelehrung an den Verbraucher im Fernabsatz auch die Telefonnummer des Händlers enthalten muss.

      Die Klagen (über 50) stützen sich auf die Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher gem. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB:


      Art 246a § 1 EGBGB schrieb:

      Steht dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu, ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher zu informieren:


      1. über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2, (...)

      Die Kläger machen insbesondere geltend, dass die Beklagte in der von ihr verfassten Widerrufsbelehrung zwar ihre Postanschrift sowie ihre E-Mail-Adresse angegeben habe, nicht jedoch ihre Telefonnummer.

      Gem. Art 246a Abs. 1 S. 1 Nr 3 EGbgb umfassen diese Informationspflichten auch...

      seine Telefonnummer, seine E-Mail-Adresse sowie gegebenenfalls andere von ihm zur Verfügung gestellte Online-Kommunikationsmittel, sofern diese gewährleisten, dass der Verbraucher seine Korrespondenz mit dem Unternehmer, einschließlich deren Datums und deren Uhrzeit, auf einem dauerhaften Datenträger speichern kann,

      Ob sich daraus ableiten lässt, dass in die Widerrufsbelhrung nun auch die Telefpnnummer reingehärt, wird der BGH am 25 Februar 2025 für das Verfahren Az. VIII ZR 143/24 entscheiden, ob die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig und begründet ist.

      Interessant ist die Frage vor allem, weil nach dem Wegfall der Textform-Erfordernis für einen Widerruf in § 355 BGB seit der Neufassung 2014 nicht nur ein Widerruf per Telefon möglich ist, sondern auch bereits 2015 das OLG Hamm festgestellt hatte, dass das Weglassen der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung wettbewerbswidrig und damit abmahnbar ist. (Az.4 U 30/15)

      Auch der EuGH hat mit Urteil vom 14.05.2020 (Az. C‑266/19) daraus abgestellt, dass ein Händler der eine Telefonnummer angibt, diese dann wohl auch in die Widerrufsbelehrung nehmen muss.
      [Der Gesetzeswortlaut ist dahingehend auszulegen,] dass die nach dieser Bestimmung „gegebenenfalls“ anzugebende Telefonnummer eines Unternehmers in einer Situation, in der sie dergestalt auf seiner Website zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher, d. h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt, als verfügbar anzusehen ist.

      Aha. Alles klar, keiner weiss Bescheid.

      Denn andererseits gibt es natürlich nizwischen auch zahlreiche Entscheidungen, die die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht als notwendig erachten.

      So hat zum Beispiel das LG München I mit Urteil vom 05.04.2024, Az. 37 O 10418/23eben diese Verlängerung der Widerrufsfrist aufgrund der nicht angegebenen Telefonnummer verneint.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Löschbert Bastelhamster schrieb:

      Denn andererseits gibt es natürlich inzwischen auch zahlreiche Entscheidungen, die die Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht als notwendig erachten.
      Logisch betrachtet ist eine Telefonnummer das schwächste Glied bei der Kommunikation und meines Erachtens hier nicht wirklich nützlich. Wie sollte denn ein telefonischer Widerruf protokolliert werden - beim Sender und beim Empfänger? Außerdem, eine Telefonnummer ständig verfügbar zu halten und dann auch noch physisch zu bedienen zu müssen, halte ich persönlich als unangemessen. Ganz anders sieht es da bei der Briefanschrift aus und womöglich auch einer eMailadresse - wer schreibt, der bleibt!
    • Reducal schrieb:

      Logisch betrachtet ist eine Telefonnummer das schwächste Glied bei der Kommunikation und meines Erachtens hier nicht wirklich nützlich
      Von der Logik her gebe ich dir recht.

      Tatsächlich liegt die Beweislast für einen rechtzeitigen oder überhaupt erfolgten Widerruf beim Verbraucher.

      Die Frage ist aber auch nicht, ob es sinnvoll ist, telefonisch zu widerrufen. Die Frage ist, ob es möglich ist. Und das ist es seit dem Wegfall der Textformerfordernis.

      Aus dem Grund stellt sich dann eben auch die Frage, ob in der WRB eine Telefonnummer stehen muss. Der beklagte Händler hat das wohl ähnlich gesehen wie jeder, der halbwegs bei Verstand ist: "Da es unsinnig und für den Verbraucher rechtlichriskant ist, telefonisch zu widerrufen, lass ich die Telefonnummer raus."

      Die Vorinstanzen haben das wohl ähnlich gesehen und die Klagen auf Gewährung des verspäteten Widerrufsrechts wegen fehlerhafter Belehrung unter Ausschluss der Revision abgewiesen. Sonst hätten nicht die Kläger (immerhin über 50) eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Es gibt also mehr als 50 oberlandesgerichtliche Urteile, in denen die Klage ohne Zulassung der Revision abgewiesen wurde.

      Faktisch geht es nun darum: "Muss etwas da drin sein, was im Prinzip vollkommener Schwachsinn ist, nur weil das Gesetz das eigentlich fordert? Oder meint das Gesetz da was anderes?"

      Wäre die Textform noch erforderlich (also Brief, Fax, Mail, Fleurop mit Kärtchen....) würde sich die Frage gar nicht stellen. Dann wäre die Telefonnummer da drin klar wettbewerbswidrig, weil dadurch der Einruck entstehen könnte, man könne auch telefonisch widerrufen. Tatsächlich wurde vor wen Wegfall der Textformerfordernis auch genau mit der Begründung gerne abgemahnt. So wie nach dem Wegfall mit der umgekehrten Argumentation.

      Schön wäre, wenn der BGH die Revision zulassen und sie angesichts von über 50 anhängigen Nichtzulassnugsbeschwerden zum Leitentscheidungsverfahren erklären würde.

      Danach können sie die restlichen Nichtzulassungsbeschwerden relativ schnell im vereinfachten Verfahrensgang abarbeiten.

      Der Vorteil für uns wäre dabei, dass die eine Entscheidung bzw das Verfahren auch dann verhandelt wird, wenn der Kläger seine Revision zurückzieht. Auch wenn er die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzieht, wird das wohl noch was werden, denn der BGH hat ja immer noch gut 50 Schuss Munition im Magazin.

      Wir bekämen dann also in jedem Fall die Antwort, ob die Telefonnummer drinstehen muss.

      Einfacher wäre es natürlich gewesen, man hätte vor zehn Jahren die beiden Worte "in Textform" im § 355 BGB einfach drin gelassen. Schon um den Verbraucher vor seiner unsicheren Beweislast zu schützen.


      Aber da war wohl der Schutz des Verbrauchers vor einem derart unzumutbar umständlichem Widerruf mit einem so komplizierten Vorgang wie einer Mail vorrangig.

      Reducal schrieb:

      Wie sollte denn ein telefonischer Widerruf protokolliert werden - beim Sender und beim Empfänger? Außerdem, eine Telefonnummer ständig verfügbar zu halten und dann auch noch physisch zu bedienen zu müssen, halte ich persönlich als unangemessen.
      Anders EuGH.

      Der geht zum einen davon aus, dass es den Telefonkräften eines Händler durchaus zuzumuten ist, einen Widerruf telefonisch entgegen zu nehmen. Notfalls mit Stift und Papier. Und dass ein Verkäufer, der sowieso eine Telefonnummer für vertragliche Kontaktzwecke mit seinen Kunden vorhält, diese auch bedient.

      Da machst Du es den Händlern also etwas zu einfach.

      Problematisch ist natürlich bei der Argumentation des EuGH der Widerruf per Telefon ausserhalb der üblichen Geschäfts- bzw Öffnungszeiten.

      Denn es reicht ja die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

      Davon, dass der auch ankommen muss, steht nichts im Gesetz. Wenn der Verbraucher also kurz vor Mitternacht widerrufen will, reicht es danach, einfach ins Freizeichen zu sprechen. Denn auf eine Anrufbeantworter muss er wieder nicht hoffen.

      Aber darüber haben die sich am EuGH ja keine Gedanken machen müssen.Sonst wäre ihnen vielleicht auch aufgefallen, dass diese all zu lockere Regelung, den Widerruf telefonisch "absenden" zu können, schlicht Quatsch ist.

      Also wenn Du mich fragst, gehört schon aus Gründen des Verbraucherschutzes die Textform wieder ins Gesetz. Bis dahin steht halt die Telefonnummer in der WRB. Und danach dann nicht mehr.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Um einmal etwas Licht ins Dunkel dieser Verfahren gegen Tesla zu bringen:
      Die Eis.de-Entscheidungen von EuGH und hiernach BGH haben die Pflicht bestätigt, eine Telefonnummer anzugeben. Die Parteien streiten ganz wesentlich darüber, ob EuGH und BGH das nur für den Fall entschieden haben, dass jemand das Belehrungsmuster verwendet, es also bei einer frei formulierten Belehrung egal ist, ob die Rufnummer enthalten ist. Der Wortlaut der Entscheidungen spricht für die Ansicht Teslas, in denen ausdrücklich vom Muster die Rede ist. Verbraucher halten das aber für eine unsaubere Formulierung, die aus diversen Gründen so nicht zutreffen kann.

      Viele Grüße
      Der Klägervertreter
    • drboese schrieb:

      Um einmal etwas Licht ins Dunkel dieser Verfahren gegen Tesla zu bringen:
      Ja, diese Vorab-Pressemitteilungen des BGH sind oft etwas ungenau. Daher danke für die zusätzliche Information.

      drboese schrieb:

      Der Wortlaut der Entscheidungen spricht für die Ansicht Teslas, in denen ausdrücklich vom Muster die Rede ist
      Naja, diese Ansicht geht dann aber auch davon aus, dass es für freie Belehrungen eben gar keine Entscheidung gibt.

      Ausser eben die wetbewerbsrechtlichen Entscheidungen, als nach Wegfall der Textformerfordernis aus der Nichtangabe der Telefonnummer eine Abmahnfalle wurde. Gut, da hat sich damals das LG Hamm hervorgetan und was ich in "kreativen Wettbewrbsangelegenheiten" von den Hammern zu halten habe, weiss ich auch.

      Für mich ist aber die Argumentation über 356 durchaus schlüssig.

      Wenn der Gesetzgeber nicht gewollt hätte, dass man telefonisch widerrufen kann, hätte er die Textform weiterhin erforderlich gemacht. Sie wurde aber bewusst (oder aus Dummheit - war ja "der Gesetzgeber", also die 632 Leute da in Berlin mit zweifelhafter Expertise) rausgenommen.

      Für einen fernmündlichen Widerruf braucht es aber in der Regel eine Telefonnummer. Es sei denn, ich bin so gut bei Stimme, dass der Händler durch mein Gebrüll noch am anderen Ende der Republik nachts aus dem Bett fällt.

      Diese Notwendigkeit hat aber nichts damit zu tun, ob ein GVK die Musterbelehrung verwendet oder den Text frei formuliert. Sonst könnte man damit analog auch das Weglassen der Mailadresse begründen. "Steht zwar in der Musterbelehrung drin, aber ich formuliere das jetzt mal frei, also muss ich die nicht angeben. Und die Postanschrift lass' ich auch mal weg..."

      Die Argumentation in dieser Richtung würde vermutlich sogar vom Beklagen als vollkommen abwegig bezeichnet. Und das zu Recht. Die haben schlicht Mist gebaut und wollen nun die Suppe nicht auslöffeln, die sie sich da eingebrockt haben. So einfach ist das.

      Ich weiss, dass in der Revision nur nochmal durchgekaut werden kann, was schon in den Vorinstanzen vorgebracht wurde. Aber hier geht es auch weniger um die eigentliche Erstargumentation sondern um die Frage einer grundsätzlichen Einordnung. Auch eine, an der der BGH jedes Vorbringen in der Vorinstanz messen sollte.

      Ich glaube, es war im ersten Semester, BGB I, als uns der Prof sagte, dass man den Inhalt von Gesetzen nicht ausschliesslich am Wortlaut messen sondern bei der Auslegung den eigentlichen Willen des Gesetzgebers ergründen sollte. Das Beispiel "Baden nur mit Bademütze". Merksatz: Das heisst eben nicht, dass unten die Nudel frei schwingen darf, weil man oben eine Bademütze trägt...

      Der grundsätzliche Wille des Gesetzgebers bei der Neufassung des 355 war nun mal, die Möglichkeit des Widerrufs nicht mehr an die Textform zu binden. Sonst stünde sie noch drin.

      Ich bin jedenfalls höchst neugierig, wie die Sache ausgeht. Wobei es ja nun erst mal um die Nichtzualssung der Revision geht. Aber wie oben schon geschrieben: Das ist eine grundsätzliche Frage. Daher halte ich die Beschwerde schon für begründet.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.