Bundesgerichtshof zum vorzeitigen Abbruch einer ebay-Auktion - Urteil vom 8. Juni 2011 – VIII ZR 305/10

    • Genial. Das ist wirklich mal erhellend, denn jetzt wird der Gedankengang klar, warum "gesetzlich berechtigt" = "steht in den AGB von eBay" auszulegen ist.

      Weil es gar keine gesetzliche Berechtigung gibt, die zur Gebotsrücknahme berechtigt, die ja mangels Höchstbieter keinen Kaufvertrag zustandekommen läßt.

      Denn auch ein Anfechtungsrecht der §§ 119 ff. BGB gewährt kein gesetzliches Recht zur Angebotsrücknahme.


      Sondern nur zur nachträglichen Anfechtung. Logisch.

      Auch meine These, daß die Grundsätze von eBay insofern bewußt und weit über die gesetzlichen Regelungen herausgehen, findet sich wieder:

      Die unscharfe Formulierng des §10 der (eBay)-AGB erscheint auslegungsbedürftig. Seine Rechtsfolge (kein Zustandekommen eines Vertrages) unterscheidet sich von den Rechtsfolgen, die nach allgemeinem Leistungsstörungsrecht für die Situation des Untergangs des Kaufgegenstandes gelten würden. Die Befreiung von der Primärleistungspflicht nach §275 Abs. 1 BGB führt nicht dazu, daß kein Vertragsverhältnis zwischen den Vertragsparteien mehr bestehen würde.


      Damit dürfte jetzt auch der letzte verstehen, daß das BGH-Urteil tatsächlich auf den Vorbehalt der berechtigten Beendigung nach eBay-Grundsatz zielt, unter dem jede eBay-Auktion steht, und nichts mit einer (Irrtums)-Anfechtung oder der Unmöglichkeit der Leistung zu tun hat.

      Interessant auch, daß "1000-Euro-Kamera im Auto auf Baumarktparkplatz" nicht als fahrlässig durchging. Damit haben sich wohl auch alle Argumente erledigt, die ein Wegschließen eines Auktionsgegenstandes fordern, sobald eine Auktion läuft.

      @Heiner, ich danke dir, du hast mit dem zur Verfügung stellen der beiden Argumente echt die Diskussion um Meilen vorangebracht abschließend geklärt.

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    • Danke @Heiner

      Anfügen möchte ich noch, dass das Fahrzeug offensichtlich (trotz einer 1.000 € Kamera) unverschlossen war, die Diebstahlanzeige erst beim ersten Klageverfahren vor dem AG gestellt wurde und am Fahrzeug offensichtlich keine Einbruchsspuren festzustellen waren.

      Dies auch noch zum Thema...... wo fängt Fahrlässigkeit an.
    • Ich sehe das, wie gewohnt, anders. Pandural darf mir die Tinte wieder quer durchs Gesicht schmieren!

      Wie haben hier einige Urteile, die teilweise nicht nachvollziehbar sind und sogar "gesetzliche" Auktionsabbrüche rechtfertigen.
      Umfassend, eine Kamera fahre ich nicht durch die Gegend, einen Eierfön lege ich nicht dem Hund in den Fressnapf.
      Mm stellen alle zu findenden Urteile auf "seltsamen" Annahmen ab. In jedem einzelnen Fall kann es anders ausgehen, da beisst der BGH den Faden nicht ab (s.o.).

      Was hier, vielleicht ungewollt, konstruiert wird, ist eine perfekte Vorlage für Auktionsabbrüche (Danke @Pandural!).
      Kommt ja kein Vertrag zustande, gell!

      Bei einer Unmöglichkeit der Lieferung (Brand, Hochwasser, Diebstahl, usw...) mögen die Urteile greifen, sofern die verkehrsübliche Sorgfaltspflicht nicht verletzt wurde!

      Die Unmöglichkeit wird aber wohl, im einzelnen Fall, definiert. Soviel zur Rechtssicherheit!

      Geht ja um eine Grundsatzdebatte, die ausgegliedert wurde. Im Falle des Hundes wäre ich auch auf ein Urteil gespannt.
      Ich wüßte, wie ich dem AG gegenüber argumentieren würde, Folgeinstanz auch. :evil:

      Noch was:
      Ein Artikel, der bei EBay zum Verkauf eingestellt wird, ist so aufzubewahren, daß er keinen Schaden nimmt. Das impliziert wenigstens die AGB.
      Auf vielfachen Wunsch: Das Tageswetter für AH-Dauerbewohner . Sammelthread

      *selbstzensiert*!
    • @GIU

      Hast du drüben gelesen, dass @pandarul dies für ein krasses Fehlurteil hält, aber es eben durch dessen klare Auslegungen derzeit gültige Rechtssprechung ist?
      Ob mir dieses Urteil gefällt? Eher nicht und klar wird dadurch Tür und Tor geöffnet für Auktionsabbrecher, nichts anderes wurde drüben geschrieben.

      Klasse finde ich, dass uns @Heiner die Urteile des AG und LG besorgt hat. Hierdurch wird kann endlich Einblick darin gewonnen werden, warum die BGH-Richter es nicht dabei beließen dem AG und LG in dem Revisionsurteil einfach zu sagen "ihr habt alles richtig gemacht", sondern viel weiter zu gehen und nochmal grundsätzlich darzulegen, was ein berechtigter Abbruch lt. AGB § 10 Abs. 1 ist.
      Seit dieses BGH-Urteil bekannt ist, hatte ich mich gefragt, warum die sich so weit mit der Materie beschäftigt haben um grundsätzlich über den gesamten § 10 Abs. 1 zu entscheiden. Die Hinweise hierauf gehen eindeutig auf das LG-Urteil zurück, denn die hatten sich schon weit aus dem Fenster gelehnt und nicht nur den Einzelfall an sich beurteilt.

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    • Schlimmer finde ich noch, dass gerade das LG auch den "schwammigen" § in der eBay-AGB bemängelt und eigentlich hätte man denken können, dass eBay nach dem BGH-Urteil nachbessert/konkrtisiert. Denkst, in der Hilfe zum Auktionsabbruch verweisen die ja jetzt selbst auf das BGH-Urteil.

      Muss man nicht verstehen, denn aus den Urteilen geht klar hervor, dass anders entschieden hätte werden können, wenn die AGB konkreter wären.
    • geiz_ist_ungeil schrieb:

      Was hier, vielleicht ungewollt, konstruiert wird, ist eine perfekte Vorlage für Auktionsabbrüche (Danke @Pandural!).
      Kommt ja kein Vertrag zustande, gell!


      Wie ich schon schrieb, genau das ist der Fall. Jeder, der nicht mit dem Klammerbeutel gepudert ist, kann sich mit entsprechenden - womöglich vorgeschobenen - Argumenten aus seinem schwebenden Vertrag rauswieseln. Allerdings wird das nicht "hier konstruiert", auch nicht "ungewollt". Es ist ein Fakt, den es einfach zur Kenntnis zu nehmen gilt.

      Genau das wurde ja auch von Anfang an dem Urteil kritisiert, ich verweise auf erneut auf internetrecht-rostock.de, die bereits einen entsprechenden Kommentar abgegeben hatten, als noch nur die Pressemitteilung des BGH verfügbar war. Warum spezialisierte Fachanwälte sich insoweit aus dem Fenster lehnen sollten, wenn das BGH-Urteil doch deiner Meinung nach über den Einzelfall hinaus bedeutungslos ist, mußt du mir echt gelegentlich erklären.

      Es ist aber insofern weniger schlimm als gedacht: eBay steht noch und 99,999...% aller Verträge werden ganz normal geschlossen und eingehalten wie vor dem Urteil, buh! Könnte es daran liegen, daß die große Mehrzahl der eBayer trotz unserem subjektiven Eindruck (wir bekommen in unserer Filterblase ja nur die Problemfälle mit) einfach ehrlich sind?

      Und: bereits zuvor waren eBay-Verträge sämtlicher Rechtssicherheit beraubt gewesen, weil die Behauptung, ein Familienmitglied hätte unberechtigt den Account benutzt (Zugangsdaten aufm Zettel unter der Tastatur) locker ausreicht:

      b) Ohne Vollmacht oder nachträgliche Genehmigung des Inhabers eines eBay-
      Mitgliedskontos unter fremdem Namen abgegebene rechtsgeschäftliche Erklärun-
      gen sind dem Kontoinhaber nur unter den Voraussetzungen der Duldungs- oder
      der Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Für eine Zurechnung reicht es nicht bereits
      aus, dass der Kontoinhaber die Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff
      des Handelnden geschützt hat (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 11. März 2009
      - I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 - Halzband).

      c) Eine von eBay gestellte und von jedem registrierten Nutzer akzeptierte Formular-
      klausel, wonach Mitglieder grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten haften, die unter
      Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden, begründet keine Haf-
      tung des Kontoinhabers gegenüber Auktionsteilnehmern.


      (Das bitte ich in diesem Thread nicht weiter zu vertiefen, es kann notfalls gesondert diskutiert werden - es dient insoweit nur der Entkräftung des "Aber die Rechtssicherheit!"-Geschreis einzelner.)

      geiz_ist_ungeil schrieb:

      Wie haben hier einige Urteile, die teilweise nicht nachvollziehbar sind und sogar "gesetzliche" Auktionsabbrüche rechtfertigen.


      Mit Verlaub, nur weil du etwas nicht nachvollziehen kannst, wird es nicht "nicht nichtvollziehbar". Es ist doch gerade geklärt worden, wie das entscheidende Urteil durch die Instanzen zustandekam: Da es überhaupt keine gesetzliche Berechtigung gibt, eine Auktion abzubrechen (= einen schwebend wirksamen Vertrag einseitig aufzukündigen), sondern nur Möglichkeiten, diesen nachträglich anzufechten oder nicht erfüllen zu müssen, was ein himmelweiter Unterschied ist, war die entsprechende Passage in §10 Abs. 1 AGB auslegungsbedüftig. Da sie ansonsten komplett überflüssig gewesen wäre, ist die einzig logische Möglichkeit, daß sie anhand der von eBay im zugehörigen Grundsatz gegebenen Hinweise zur vorzeitigen Beendigung auszulegen ist. Diese Argumentation ist stringent.

      geiz_ist_ungeil schrieb:

      Bei einer Unmöglichkeit der Lieferung (Brand, Hochwasser, Diebstahl, usw...) mögen die Urteile greifen, sofern die verkehrsübliche Sorgfaltspflicht nicht verletzt wurde!


      Die Berechtigung zum Abbruch von eBay-Auktionen folgt nicht aus §275 BGB (und auch nicht aus §119ff, was weitreichende Folgen hat, auf die ich vorerst aber nicht eingehen möchte). Jedes eBay-Angebot steht unter dem Vorbehalt der vorzeitigen Beendigung nach den im eBay-Grundsatz aufgeführten Regeln (und nicht etwa dem Inhalt des BGB, auch wenn du es nicht wahrhaben möchtest, natürlich bleiben die Rechte des VK auf Anfechtung oder Ausschluß der Leistung aber unberührt), die Bindungswirkung der Willenserklärung des Verkäufers ist insoweit eingeschränkt. Das ist höchstrichterlich und es gibt seit dem BGH kein Urteil zur Materie, das diesen Fakt nicht anerkennt.

      Das bedeutet z.B. in der Praxis, daß eine 4200-Euro-Auktion problemlos beim Auftreten eines Schadens im Reparaturwert von 65,- abgebrochen werden darf (9 S 166/12 LG Bochum). Aber klar, du bestehst entgegen der Fakten natürlich auf einer "Unmöglichkeit der Lieferung", bei der ein Urteil "gelten mag". Entschuldigung: Du leidest wirklich unter Realitätsverlust!

      edit: Im Übrigen war die BGH-Kamera eine Gattungsschuld und die Leistung mitnichten unmöglich zu erbringen; auch die hätte woanders gleichwertig besorgt werden können mit vertretbarem Aufwand. Das nur, damit du ein weiteres Argument dafür ignorieren kannst, daß die hier diskutierte Entscheidung mit "Unmöglichkeit der Lieferung" nicht das geringste zu tun hat.

      geiz_ist_ungeil schrieb:

      Ich wüßte, wie ich dem AG gegenüber argumentieren würde, Folgeinstanz auch.


      Ach, obwohl ich dich schon mehrfach gefragt hatte und die nicht zu antworten imstande warst, hast du auf einmal doch echte Argumente? Super, her damit, die interessieren mich brennend. Aber bitte im Thread drüben, den das bezieht sich ja dann wieder auf den konkreten Fall.

      geiz_ist_ungeil schrieb:

      Ein Artikel, der bei EBay zum Verkauf eingestellt wird, ist so aufzubewahren, daß er keinen Schaden nimmt. Das impliziert wenigstens die AGB.


      Ich darf wie üblich fragen, mit welchem Argument du diese Annahme begründen willst. Bislang deuten die Fakten, die du wenige Postings weiter oben nachlesen kannst, eher darauf hin, daß unbeaufsichtigt im unverschlossenen Auto zumindest als temporäre Art der Aufbewahrung schon ausreicht.

      Ich glaube irgendwie daß du ein Problem damit hast, daß die Faktenlage nicht deinem subjektiven Rechtsempfinden entspricht. Das sei dir unbenommen. Das solltest du aber dann auch so darstellen und nicht - mittlerweile ja wider besseren Wissens - behaupten, daß das alles einfach nicht gilt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

      Kaiolito schrieb:

      Hast du drüben gelesen, dass @pandarul dies für ein krasses Fehlurteil hält, aber es eben durch dessen klare Auslegungen derzeit gültige Rechtssprechung ist?


      Vielleicht hake ich hier nochmal ein; mein größtes Problem geht dahin, daß der BGH allen Ernstes die eBay-Grundsätze als rechtswirksam vereinbart ansieht, und zwar nicht nur im Außenverhältnis der Vertragsparteien mit eBay, sondern auch in ihrem Innenverhältnis zueinander. eBay ändert die Grundsätze regelmäßig, intransparent und unangekündigt. Die Folge ist, daß man eigentlich vor jeder Auktion alle eBay-Grundsätze auf Neuigkeiten prüfen und den Stand archivieren müßte, was völlig lebensfremd ist. Außerdem widerspricht der BGH damit teils seiner früheren Auffassung zur Frage, wie weitreichend diese Grundsätze eigentlich sind.

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