ebay-Auktion vorzeitig beendet - Vertrag mit Nichtbieter - AG Duisburg, Urteil vom 25.03.2004, Az. 27 C 4288/03

    • ebay-Auktion vorzeitig beendet - Vertrag mit Nichtbieter - AG Duisburg, Urteil vom 25.03.2004, Az. 27 C 4288/03

      Ich hab lange nach dem Urteil gesucht und endlich habe ich es wiedergefunden. Daher hier für die Urteilssammlung das Cartier-Urteil des AG Duisburg:

      In dem Rechtsstreit des
      **************************
      Klägers.
      gegen
      *************************
      Beklagten,
      Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte *************** & Partner in Düsseldorf

      hat das Amtsgericht Duisburg
      im schriftlichen Verfahren
      drch den Richter am Amtsgericht ********
      für Recht erkannt:


      Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.003,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2003 zu zahlen.

      Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

      Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 27% und der Beklagte zu 73%.

      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

      Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.220,00 EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.


      Tatbestand:

      Der Kläger ist bei www. ebay. de registriert unter dem Mitgliedsnamen „...". Der Beklagte ist bei www. ebay. de unter dem Mitgliedsnamen „..." registriert. Der Beklagte bot als „..." bei eBay am 15.6.2003 unter der Artikel-Nr. ... als Verkäufer eine Armbanduhr „Cartier Tank basculante *selten*" an.

      Die Beschreibung lautete wie folgt:
      „Bei dieser Cartier handelt es sich um das Modell Tank basculante. -Handaufzug -Lederarmband mit Stiftschliesse -Stainless steel -Ref: 53755PB2390 -Maße Gehäuse: 40mmx30mmxlOmm -Kaufdatum 05/99 -Neupreis 6.950,00 DM -06/03 generalüberholt von Cartier Düsseldorf -l Jahr Garantie se Cartier. Die Uhr biete ich hier mit original Box, Booklet, Originalrechnung, Bescheinigung der Generalüberholung und der Garantieverlängerung an. Die Uhr ist absolut neuwertig, kaum getragen, in einem einwandfreien Zustand. Auf der Innenseite der Uhr befindet sich eine Gravur „HJ" diese kann sicherlich von Cartier entfernt oder verändert werden. Akzeptiere nur Vorabüberweisung -versicherter Versand per DPD oder Selbstabholung-Barzahlung" ...

      Der Beklagte hatte einen Startpreis von EURO 1.199,00 angegeben. Die Auktion sollte nach Bestimmung des Beklagten am 25.6.2003 um 15.21 Uhr enden. Der Beklagte beendete die Auktion vorzeitig am 24.6.2003 um 16.48 Uhr. Der Beklagte berief sich bei der vorzeitigen Beendigung der Auktion auf einen Irrtum bezüglich der maßgeblichen Beschaffenheit der Kaufsache. Der Kläger bekundete am 25.6.2003 um 11.36 Uhr über die Funktion „Frage an ein Mitglied" sein Interesse an der Uhr. Daraufhin erwiderte der Beklagte am 25.6.2003 um 13.00 Uhr wie folgt:
      „hallo, ja, ich habe die cartier uhr noch. machen sie mir ein faires angebot, und bitte bedenken sie, dass die uhr neuwertig ist. neupreis 6.950 dm, also ca. 3.500 euro. bei einem angebot von 2.300 euro können wir ins geschäft kommen, darunter leider nicht.
      gruss, ****"

      Daraufhin teilte der Kläger dem Beklagten per E-Mail vom 25.6.2003, 15.17 Uhr mit, eine Lösung von dem Verkaufsangebot sei nicht möglich, sein ursprüngliches Verkaufsangebot bestehe aus Rechtsgründen fort und der Kläger nehme das ursprüngliche Verkaufsangebot rechtzeitig an. Daraufhin erklärte der Beklagte, die Uhr sei vor einiger Zeit bei Renovierungsarbeiten beschädigt worden. Der Kläger setzte zugleich mit Annahme des Verkaufsangebotes dem Beklagten eine Frist zur Benennung seiner Kontodaten zur Überweisung des Kaufpreises, diese Frist ließ der Beklagte fruchtlos verstreichen. Daraufhin trat, der Kläger per E-Mail vom 30.6.2003 vom Kaufvertrag zurück.

      Der Kläger behauptet, er habe eine vergleichbare Uhr auf dem Markt nicht finden können und deshalb am 7.7.2003 bei dem Münchener Juwelier Jublgrais einen Deckungskauf zum Neupreis von EURO 3.670,00 vorgenommen. Der Kläger hat die erwähnte Quittung in Kopie als Anlage K 12 zu den Akten gereicht (Bl.111 GA).

      Der Kläger beansprucht als Schadensersatz die Differenz zwischen dem vom Beklagten ursprünglich angebotenen Kaufpreis von EURO 1.199,00 zu dem Preis des Deckungskaufs von 3.670,00 EUR, wobei er einen 30%-igen Abschlag „neu für alt" in Höhe von 1.101,00 EUR vornimmt.

      Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn EURO 1.370,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

      Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

      Er vertritt die Ansicht, ein Kaufvertrag sei nicht zustande gekommen, da er sein Angebot widerrufen habe. Er habe am 24.6.2003 in Erfahrung gebracht, dass die auf seiner Uhr befindliche Gravur nicht entfernt werden konnte, er habe sich mithin über eine wesentliche Eigenschaft der Uhr geirrt. Im Übrigen sei er aus einem weiteren Grunde berechtigt gewesen, sein Angebot zurückzuziehen. Bei Renovierungsarbeiten sei die Uhr beschädigt worden, so dass sich die Beschaffenheit des Artikels in der Zwischenzeit verändert habe. Diesbezüglich beruft er sich auf einen Zeugen wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.


      Entscheidungsgründe:

      Die Klage ist in Höhe von 1.003,00 EUR begründet.

      In dieser Höhe steht dem Kläger gegen den Beklagten gemäß § 280 BGB aus dem von den Parteien geschlossenen Kaufvertrag über die vom Beklagten angebotene Armbanduhr ein Anspruch auf Schadensersatz zu.

      Nach Auffassung des Gerichts war der Beklagte nicht berechtigt, sein verbindliches Angebot zum Verkauf seiner Cartier-Uhr zu widerrufen. Nach § 9 Ziff. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-Websites hat der Beklagte als Mitglied „ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss" abgegeben. „Dabei bestimmt der Anbieter eine Frist, binnen derer das Angebot durch ein Gebot angenommen werden kann". Als Gründe für eine vorzeitige Angebotsrücknahme werden nach der vom Kläger überreichten Anlage K 10 anerkannt ein Irrtum über die Beschaffenheit des angebotenen Artikels, eine Veränderung der Beschaffenheit des Artikels in der Zwischenzeit sowie die Zerstörung des Artikels.

      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Des Urteils zweiter Teil

      Es wäre schön, man könnte wenigstens so ein Urteil in ein Posting schreiben. Aber mit 10000 Zeichen...

      Na gut, weiter gehts.

      Nach der vom Beklagten selbst gegebenen Beschreibung bei Abgabe seines Angebotes befindet sich auf der Uhr eine Gravur mit seinen Namensinitialen. Er hatte insoweit angegeben, diese Gravur könne „sicherlich von Cartier entfernt oder verändert werden". Aus diesem Grunde konnte der Beklagte nicht wegen etwaiger Schwierigkeiten bezüglich der Entfernung der Gravur sein Angebot zurückziehen. Vielmehr war das Vorhandensein der Gravur Bestandteil des von ihm abgegebenen Angebotes. Dass der Beklagte tatsächlich von einem derartigen Irrtum bei Rücknahme des Angebotes nicht ausging, ergibt sich unschwer aus seinem eigenen Angebot zum Verkauf der Uhr an den Kläger zum Preise von 2.300,00 EUR. Ebenso wenig hat der Beklagte hinreichend substantiiert, dass die Uhr bei Renovierungsarbeiten beschädigt worden sei. Die vom Beklagten angebotene Vernehmung des Zeugen würde auf eine zivilprozessual unzulässige Ausforschung hinauslaufen, da keinerlei konkrete Angaben zum Zeitpunkt und zur Art der Beschädigung gemacht worden sind.

      Nach alledem hat das Gericht keine Zweifel an der Berechtigung des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruchs. Der Deckungskauf ist durch die vorgelegte Quittung hinreichend belegt. Allerdings hält das Gericht angesichts des Alters der vom Beklagten angebotenen Uhr, die im Mai 1999 zum Neupreis von 6.950,00 DM angeschafft wurde, einen Abzug „neu für alt" von 40% für gerechtfertigt.

      Der Schadensersatz bemisst sich danach wie folgt:

      - Deckungskauf.......................3.670,00 EUR
      - abzgl. 40% „neu für alt"...........1.468,00 EUR
      .....................................
      2.202,00 EUR

      - abzgl. Kaufpreis gem. Angebot

      des Beklagten .......................
      1.199,00 EUR
      ergibt einen Schaden in Höhe von ....1.003,00 EUR.

      Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 288, 291 BGB gerechtfertigt.

      Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.


      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • An diesem Urteil ist eines bemerkenswert: Offenbar war die streitgegenständliche Uhr übehaupt noch nicht beboten, als der Verkäufer sie beendet hatte. Der verhinderte Bieter hat allerdings innerhalb der regulären Laufzeit beim Verkäufer nachgefragt, ob die Uhr noch zu haben sei und ebenfalls innerhalb der Laufzeit die Antwort erhalten, dass er sie für 2300 Euro kaufen könne.

      Aus der Mail des Nichtbieters hat der Richter in Duisburg dann "so eine Art Gebot" zur regulären Laufzeit der Auktion (obwohl dieses bereits vorzeitig beendet war) gemacht und daher den Verkäufer an seine über ebay ursprünglich abgegebene Vertragserklärung gebunden.

      Zwar steht dieser Passus mittlerweile in §10 der ebay-AGB und nicht mehr, wie im Urteil festgehalten in §9, im Grundsatz ist das Einstellen einer ebay-Auktion aber auch heute noch ein verbindliches Angebot zum Vertragsschluss.

      Fazit: es kann eigentlich keinem Verkäufer geraten werden, ein Angebot, das er bei ebay eingestellt hat, vorzeitig zu beenden.

      Sogar dann nicht, wenn es noch gar nicht beboten ist.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Löschbert Bastelhamster schrieb:

      Fazit: es kann eigentlich keinem Verkäufer geraten werden, ein Angebot, das er bei ebay eingestellt hat, vorzeitig zu beenden.

      Sogar dann nicht, wenn es noch gar nicht beboten ist.

      Nun, im konkreten Fall gab es einen Interessenten. Wenn es den nicht im Vorfeld gibt, wer von den 20 Mill. deutschen ebay-Nutzern wäre dann der Käufer mit den Ansprüchen? Das Urteil entstammt einen kleinen Kammer eines AG und ist bereits 8 Jahre alt. In der Zwischenzeit ist die Rechtsprechung ein gutes Stück weiter. Man sollte dem nicht zu viel Gewicht beimessen, zumal es bereits in der praktischen Umsetzung Probleme erzeugt, wie an meiner Nachfrage ersichtlich.
      „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Voltaire

      Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - das nennen sie dann ihren Standpunkt.
    • Ausschlaggebend für das Posting war die mal wieder allseits beliebte Frage an mich ob ich einen Artikel vorab verkaufen würde. Nö, mach ich nicht. Einfach mal 'ne halbe Million bieten, dann hat der Bieter das Ding nach 10 Tagen und fertig.

      Erstens: ich bin bekanntlich ein Fossil aus den Urzeiten von ebay, habe den Fall damals live miterlebt und suche dieses Misturteil seit Jahren. Eben weil es AG-Ebene ist ist es nämlich nicht in den Gerichtsdatenbanken veröffentlicht. Zu unwichtig. Also hab ich mir erlaubt es einfach mal hier der Datenbank einzuverleiben, als es mir heute zufällig über den Weg gelaufen ist.

      Zweitens ist das Ding rechtskräftig. AG oder nicht AG, sehr viele Verfahren sind vom Streitwert her sowieso nicht mal berufungsfähig. Hier wäre es vom Streitwert her möglich gewesen, ist aber nicht passiert. ebay-Entscheidungen spielen sich aber meistens am AG ab.

      Drittens (und das ist der auschlaggebende Faktor) ist das Urteil zwar ziemlich alt, aber rein rechtsdogmatisch ist es in Ordnung und würde heute bei dieser Beweisführung ebenfalls so fallen. Dass in der Beweisführung vom Kläger ein bestimmter Punkt nicht erwähnt wurde ist sein gutes Recht und dass der Beklagte darauf nicht hingewiesen hat ist seine eigene Dummheit: das Gebot wurde nämlich über das ebay-Nachrichtensystem abgegeben. Dass in den AGB damals auch schon stand "durch die Funktion Bieten" hätte möglicherweise zu einem anderen Urteil geführt. "Möglicherweise" deshalb, weil dieser Verkäufer dummerweise zugegeben hat, dass er keinen "gesetzlich berechtigenden Grund" für den vorzeitigen Abbruch hatte, er also für das Fehlen der Funktion zur Gebotsabgabe selber verantwortlich war. Das könnte ihm vor dem Hintergrund des einschlägigen BGH-Urteils mit der geklauten Digiknipse dann trotzdem das Genick brechen.

      biguhu schrieb:

      Wenn es den nicht im Vorfeld gibt,

      Es hat hier keinen Interessenten im Vorfeld gegeben. Zumindest nicht für den Verkäufer erkennbar. Die Auktion war unbeboten, als sie beendet wurde. Die Anfrage ob der Artikel noch zu kaufen ist, kam nach dem vorzeitigen Abbruch einer Auktion ohne Gebote, aber vor dem regulären Ende der Auktion. Genau da liegt der Knackpunkt: in der Gebotsabgabe per Mail, bevor der Artikel regulär ausgelaufen wäre und dem Eingeständnis des Verkäufers, dass er keinen rechtfertigenden Grund für die vorzeitige Beendigung hatte. Wer also einen Artikel mit einem Euro Startpreis einstellt und dann gleich wieder beendet sollte nach Möglichkeit in den zehn Tagen danach keine Mails lesen oder zumindest keine solchen Anfragen beantworten. Schon gar nicht wenn sie ein konkretes Verkaufsangebot enthalten.

      Aber das muss man ja den Verkäufern, die ihre portablen Mäusekinos wegen irgendwelcher irrelevanter und mir trotz meiner Bitte nie gezeigter AG-Urteile für 333 Euro an das*ist verkaufen dürfen auch nie sagen. Wissen die klugen Verkäufer ja alles. Genau wie hier. Ist ja nur Amtsgericht und uninteressant. Wenn man mal von der eher nebensächlichen Kleinigkeit absieht, dass - wie schon gesagt - rein rechtsdogmatisch das Urteil in Ordnung ist und deshalb jederzeit wieder so fallen kann.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.