Quo Vadis Justitia

    • #37: Allerdings ist auch die Strategie: Erst zündeln - dann relativieren, aus früheren Zusammenhängen sattsam bekannt.

      "Brandstifter und Biedermann".

      ================================================


      Wenn etwas einmal passiert, passiert es vielleicht nie wieder. Wenn etwas zweimal passiert, passiert es sicher auch ein drittes Mal

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von karakorum666 ()

    • oldschmatterhand schrieb:

      Im GG wirst Du auch vergeblich nach den dort geschriebenen Worten "(Grund-)Recht auf informationelle Selbstbestimmung" suchen.


      Klar, weil man nicht alles, was aus der Menschenwürde folgt, vorhersehen kann.

      Das war nicht meine Frage. Meine Frage war, wo im Grundgesetz die von dir benannte "wesentliche Vereinbarung", der Staat hätte die Bürger zu schützen, und dies im Gegenzug für das Gewaltmonopol, steht.

      Hint, hint: Das von dir in die Diskussion eingebrachte Opferentschädigungsgesetz ist nicht das Grundgesetz.

      Ich glaube dir sofort, daß

      [d]er Leitgedanke ... des Gesetzes [OEG] ... die Verantwortung des Staates [ist], seine Bürger vor Gewalttaten und Schädigungen durch kriminelle Handlungen zu schützen, da er der Träger des Gewaltmonopols und der Verbrechensverhütung und bekämpfung [ist].


      Nur daß du es nicht falsch verstehst, darüber besteht gar kein Zweifel. Genausowenig wie darüber, daß es Strafrecht und Polizeirecht und was weiß ich nicht alles gibt. Sogar Teile des Zivilrechts (deliktische Haftung) dienen dem Schutz des Bürgers. Das ist auch alles gut und richtig.

      Aber das Grundgesetz schützt mich nicht vor Straftaten oder garantiert mir Sicherheit. Es schützt mich vor dem starken Staat und seinen Apologeten. Zum Glück.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von pandarul ()

    • karakorum666 schrieb:

      #37: Allerdings ist auch die Strategie: Erst zündeln - dann relativieren, aus früheren Zusammenhängen sattsam bekannt.

      "Brandstifter und Biedermann".
      Dein Vorrat an Schubladen scheint wohl unbegrenzt.

      Such doch mal Eine auf der draufsteht "Ehrlich gemeintes > ES TUT MIR LEID <"

      Also lass es doch einfach bitte.

      LG Zentauer
      Der Beitrag wurde zu 100% aus recycelten Elektronen erstellt. Wer Schrebfeihler oder Dreckfuhler findet, darf sie behalten.
      Und wer meine Omma beleidigt, muss sie mitnehmen.
    • schabbesgoi schrieb:

      Wie wäre es dann, nur so als Vorschlag...wenn wir das unglückliche Ding hier sacken lassen und ... bei Bedarf ein neues Thema eröffnet. Dort sollte man dann sachlich (wenn auch nicht emotionslos,das muss ja nicht sein) ein Thema diskutieren können.
      Warum "davonlaufen"? Ich hatte Dich eigentlich so eingeschätzt, "dass Du (in Bezug auf das Forum: sinnbildlich) auf der Straße stehst, um braunem Gedankengut deutlich zu machen, bis hierher und nicht weiter".
      Der Thread ist doch inzwischen auf einem guten Weg mit der Klärung der Frage, ob es dem Staat verfassungsrechtlich geboten ist, er in der Verantwortung steht, "seine" Bürger vor Gewalttaten und kriminellen Handlungen zu schützen.
      Selbstverständlich ist er das, schließlich versteht sich die Bundesrepublik Deutschland als ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat. Und gerade die Sicherungsverwahrung ist wohl ein hoher Ausdruck dafür, dass dieser Staat dem nachkommt, wenngleich ihm hier das BVerfG im Zusammenhang mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unlängst Regeln dafür mit auf dem Weg gegeben hat.
      bundesverfassungsgericht.de/en…s20110504_2bvr236509.html


      schabbesgoi schrieb:

      Dafür wird ein Hauptthema des EP sträflich vernachlässigt.
      Bosch oder Hilti? Was ist für wen angemessen und damit die bessere "Waffe der Wahl" im Rechtsstaat?
      Finde ich nicht. Es können mehrere Beiträge, auch Deiner, nachgelesen werden, die eindeutig Stellung beziehen bzgl. "Bosch und Hilti".

      Und warum soll man sich dann nicht den Fragen stellen:

      "Wie bitte kann es sein, dass ein verurteiler Sexualstraftäter der sich in Sicherungsverwahrung befindet 'Freigang' bekommt"?
      Auch da kann man auf das o. a. Urteil des BVerfG verweisen, zum Beispiel. Natürlich kann man das auch dahingehend erweiternd ausführen, dass "selbst ein Sicherungsverwahrter" Grundrechtsschutz genießt, dass es nicht allein mit dem Wegschließen getan ist, sondern dass auch Therapieangebote vonnöten sind, dass der Freigang dazu dient, auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten - aber natürlich auch die Entscheidung, ob zum Beispiel Freigang gewährt werden kann, eine Prognosenentscheidung, von Menschen getroffen, ist. Das würde dann, wenn man will, zu der Frage führen, liegt ein Systemfehler vor, menschliches Versagen, und man könnte darüber sinnieren, ob das bestehende Restrisiko für Fehlentscheidungen hinnehmbar ist oder ob es Wege gibt, das Restrisiko zu minimieren.
      Eine solche (sachliche mit Emotionen verquickte) Diskussion ist nicht möglich in DIESEM Thread? Meine Meinung: Gerade das würde deutlich machen, dass es auch anders geht, als im EP "versucht". Man könnte, wenn man wollte (bzw. wenn man den Rahmen eines Forums sprengen wil) sicherlich stundenlang zu dieser Headline schreiben.

      Glaubst Du, es würde sich am SACHLICHEN Thema etwas ändern, wenn man dazu einen neuen Thread aufmacht? Ich nicht.
      Und ich bin auch der Meinung, dass man nicht dem braunen Gedankengut zugeordnet werden darf, allein deshalb, weil man die (SACHLICHE) Frage aufwirft, oder weil man dazu bereit ist, in einem Thread (dessen EP nicht hinnehmbare Passagen enthält), SACHLICH zu antworten.

      (BTW ohne es aufwärmen zu wollen: Dein Beispiel mit dem Beschneidungsthema wäre durchaus geeignet zu fragen, ob "der Staat" in diesem Falle vielleicht nicht a bissl spät aufgewacht ist, obwohl jene Bevölkerungsgruppen, die die Beschneidung, aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls traditionell "pflegen", dies vielleicht gar nicht so begrüßen, dass der Staat aufwacht. Wie Du siehst, wenn man es will, könnte man aus jedem Thema "etwas machen", gilt aber auch für diesen Thread, den man ins Sachliche ummünzen kann).



      "Wer ist für die begangene Straftat 'in mittelbarer Täterschaft' verantwortlich."
      Da könnte man dann (sogar emotionslos) darauf Antworten, dass offensichtlich eine Straftat (z. N. des Mädchens) und ein dringender Tatverdacht gegen den auf Freigang befindlichen Sicherungsverwahrten vorliegt, sonst hätte die Staatsanwaltschaft keinen Haftbefehl beantragt und der Ermittlungsrichter den Haftbefehl nicht erlassen.
      Zur Frage der "mittelbaren Täterschaft" ließe sich (mit ein bissl Emotionen verquickt) damit beginnen, dass es Viele auch gerne sehen würden, wenn man eBay wegen erwiesener Untätigkeit in Bezug auf betrügerische Angebote auch mal strafrechtlich packen könnte (wäre ein Aufreisser, um sich dem Thema zu nähern). Aber dass es leider nicht ganz so einfach ist, wie auch hier im Falle des Sicherungsverwahrten.
      Dann könnte man überleiten, dass die "Grüne Justizministerin" sich ihrer Verantwortung stellt , nämlich "die Sache aufzuklären" (kurz gefaßt, vollständiges Zitat bereits weiter oben) usw usw.

      Und wenn man will, kann man auch auf die (vorsichtig formuliert) "Polemik" eingehen, dass Ströbele mal angeblich (lt. EP, ich hab's nicht überprüft) Inzest legalisieren wollte und was das denn bitteschön mit der Sicherungsverwahrung zu tun habe, und dass es eigentlich nicht sein sollte, dass man diesen Themenkreis "gefärbt" angeht (wenngleich natürlich die verschiedenen Parteien unterschiedliche Präferenzen haben zum Thema "Sicherheit UND Freiheit" die einen a bissl mehr Sicherheit, die anderen ein bissl mehr Freiheit)
    • Es gibt zu der Frage, ob der Staat verpflichtet ist, zu strafen - möglicherweise aus der Verfassung - einen interessanten Beitrag von O. Garcia:

      blog.delegibus.com/2011/02/13/…ilitierte-justizminister/

      Und nein, der Staat ist keineswegs verpflichtet, jemanden zum Schutze der Bevölkerung für eine Zeit X wegzusperren, wobei Unterlassung ein irgendwie gearteter Verstoß wäre.

      Der Staat ist verpflichtet, überhaupt entsprechende Gesetze (Strafrecht usw.) vorzuhalten, wobei deren konkrete Ausgestaltung allerdings der Auslegung der (repräsentativen) Mehrheit der Legislative unterliegt, begrenzt von Bundes- und Landesverfassung(en), aber auch der Menschenrechtskonvention (ich sags vorsorglich: der EGMR hat nichts mit der EU zu tun) oder ggf. europarechtliche Regelungen.

      Zu den Menschenrechten gehört nunmal, daß jeder Mensch eine Perspektive auf Entlassung hat.

      verfassungsblog.de/wegsperren-…-in-ganz-europa-verboten/

      Das ist natürlich kein Automatismus, auch in Deutschland gibt es Menschen, die wahrscheinlich im Gefängnis sterben werden:

      welt.de/vermischtes/prominente…-Haeftling-will-raus.html (Achtung, Springerpresse!)

      Aber die ernsthafte Perspektive muß da sein. Das gilt umsomehr für die Sicherungsverwahrung, die nach dem Verbüßen der gesetzlich vorgesehenen Strafe angewandt wird.

      Insofern ist es nicht verwunderlich, daß jemand Freigang bekommt, und im Laufe der Zeit auch unbegleiteten. Das hat ja auch mehrfach gut geklappt. Und es sollte auch nicht vergessen werden, daß die Sicherungsverwahrung in diesem Fall wegen Körperverletzung verhängt worden war und nicht etwa wegen eines Sexualdelikts. Inwieweit das - laut Pressemeldung ziemlich unglückliche - Justizministerium irgendeine Schuld an der Umsetzung von verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben haben soll, erschließt sich mir nicht. Daß der Vorfall eine Tragödie ist - klar.

      Daß das ganze nichts mit Farben und Parteien zu tun hat, ist ja glücklicherweise mittlerweile geklärt.

      Auch wenn es nicht zum Topic gehört, möchte ich doch noch mal dazu auffordern, sich das Minderheitenvotum des Vorsitzenden des zuständigen Senats des BVerfG in 2 BvR 392/07 zum Thema Inzest durchzulesen (ab Rn. 73), das in der Lehre im Übrigen mehr Zustimmung erfahren hat als das Senatsurteil.

      Man nennt es gemeinhin Gesinnungsjustiz, wenn etwas zur Straftat definiert wird, obwohl es gar kein Opfer gibt. Insofern ist es verständlich, daß viele Menschen diesen Eingriff des Staates in die Schlafzimmer seiner Bürger kritisch sehen, und es gibt auch haufenweise Länder in Europa, die vergleichbare Regelungen nicht haben - und allesamt noch nicht untergegangen sind. Moral hat nichts im Strafgesetzbuch verloren.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von pandarul ()

    • pandarul schrieb:

      Es gibt zu der Frage, ob der Staat verpflichtet ist, zu strafen
      Das ist eine andere Baustelle. "Strafen" hat, wie Du unten feststellst, nichts mit Sicherungsverwahrung zu tun - auch wenn die Straßburger Richter da offenbar eine andere Linie haben.
      "Karlsruhe ist eigentlich festgelegt. Schon 2004 hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass Gesetze über die Sicherungsverwahrung auch rückwirkend verschärft werden dürfen. Grund: Die Verwahrung sei keine Strafe für begangenes Unrecht, sondern eine präventive "Maßregel". Daran wollen dieRichter offensichtlich festhalten. Die Unterscheidung ermögliche moderate Strafen im Regelfall, während die dauerhaft gefährlichen Straftäter zielgerichtet mit der Sicherungsverwahrung länger inhaftiert werden können, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Weil die Verwahrten aber nur vorsorglich inhaftiert werden, müssten ihre Haftbedingungen besser sein als die der Strafgefangen. Dieses 2004 aufgestellte "Abstandsgebot" war in der Praxis zu wenig beachtet worden,stellten die Richter jetzt fest. Hier muss wohl nachgebessert werden: Größere Zellen, mehr Besuchszeiten, höhere Arbeitslöhne werden die Richter wohl fordern. Die Folge: Für die Sicherungsverwahrung gilt das Rückwirkungsverbot auch künftig nicht. Damit wäre das Problem aber nicht gelöst, sondern zementiert, denn Straßburg sieht die Verwahrung immer noch als Strafe und fordert eine Freilassung. Die aber will Karlsruhe zumindest nicht in allen Fällen anordnen. Deshalb berufen sich die Richter nun auf staatliche "Schutzpflichten", die sie ins Grundgesetz hineininterpretieren. "Die Menschenrechtskonvention hat nur Individualprobleme im Blick, unsere Verfassung ist aber aufs Ganze bezogen", sagte der konservative Richter Herbert Landau. Auch Voßkuhle kritisierte, der Straßburger Gerichtshof habe "die Sicherheitsinteressender Bevölkerung nur ganz am Rande in den Blick genommen".
      taz.de/!65592/


      pandarul schrieb:

      Und nein, der Staat ist keineswegs verpflichtet, jemanden zum Schutze der Bevölkerung für eine Zeit X wegzusperren, wobei Unterlassung ein irgendwie gearteter Verstoß wäre.
      Ist nicht falsch, das so zu formulieren, trifft aber auch nicht den Kern. Man sollte es andersrum aufzäumen, dann wird's verständlicher. Darf der Staat irgendetwas tun (also zum Beispiel die Freiheit eines Einzelnen - hier Sicherungsverwahrten) einzuschränken, ohne dass es dafür aus dem GG heraus eine Rechtfertigung gäbe. Diese Frage kann man nur mit NEIN beantworten. Der Schutz des Bürgers (nicht vor dem Staat, dafür gibt es die Grundrechte als sog, Abwehrrechte, sondern) durch den Staat muss sich also unmittelbar aus dem GG ableiten lassen, was mit der Auslegung von "demokratischer sozialer Rechtsstaat" zulässig ist.
      Exkurs:
      juraforum.de/lexikon/staatliches-gewaltmonopol
      krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=&KL_ID=81
      Auf die Sicherungsverwahrung zurückzukommen bedeutet das, dass der Staat ein präventives Instrument geschaffen hat, um seine Bürger zu schützen:
      " ... Im Gegensatz zu einer solchen Strafe diene die Sicherungsverwahrung nicht dem Zweck, strafrechtliche Schuld zu sühnen, sondern sei eine reine Präventionsmaßnahme, die die Allgemeinheit vor einem gefährlichen Täter schützen solle. ... "
      "... Es hielt die Entscheidung des Gesetzgebers, nach der der effektive Schutz der Allgemeinheit vor hochgefährlichen Straftätern, von denen weitere erhebliche Straftaten zu erwarten seien, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden – der ein überragendesGemeinwohlinteresse darstelle – die Vertrauensschutzbelange des Straftäters überwiege, für grundgesetzkonform. ..."
      " ... Das Bundesverfassungsgericht stellte weiterhin fest, dass § 66b Abs. 3 StGB mit dem im Grundgesetz (Artikel 2 Abs. 2) garantierten Freiheitsrecht des Beschwerdeführers vereinbar sei. Um das Recht der Bürger auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit zu schützen, sei es dem Gesetzgeber unter Beachtung der Grenzen, die durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgegeben seien, gestattet, einer Person die Freiheit zu entziehen, von der zu erwarten sei, dass sie die genannten Rechte der Bürger verletzen werde. ..."
      bmj.de/SharedDocs/EGMR/DE/20120607_61827-09.html RN 26, 27, 29
      Die Zeitdauer der Sicherungsverwahrung ist zunächst unbefristet, es ist aber regelmäßig zu überprüfen, ob die Voraussetzungen (noch) vorliegen.
      Auf den Leitgedanken des OEG habe ich bereits hingewiesen, weil man daraus sehr schön die Verpflichtung des Staates, seine Bürger zu schützen, greifbar machen kann (und selbstverständlich ist das OEG nicht das GG, das ist mir bekannt. Und ich gehe da doch davon aus, dass das OEG auf dem GG aufbaut. Wäre es anders, hätte es der Bundespräsident wohl nicht unterschrieben)
      Desweiteren stellt sich die Frage, wenn das urteilende Gericht die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung bejaht, wird es dann von der Sicherungsverwahrung absehen? Ich gehe davon aus: NEIN.

      pandarul schrieb:

      ich sags vorsorglich: der EGMR hat nichts mit der EU zu tun)
      Das ist mir bekannt

      pandarul schrieb:

      Inwieweit das - laut Pressemeldung ziemlich unglückliche - Justizministerium irgendeine Schuld an der Umsetzung von verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben haben soll, erschließt sich mir nicht.
      Mir sind die Fakten nicht bekannt (bzw. nur das, was man der Presse entnehmen kann) und ich erlaube mir darüber derzeit kein Urteil. Deshalb begrüße ich, dass die Angelegenheit - laut der Justizministerin - untersucht werden soll - alles andere würde demokratischen Grundsätzen widersprechen.

      pandarul schrieb:

      Moral hat nichts im Strafgesetzbuch verloren
      Das würde ich anders formulieren. Das Strafgessetzbuch ist sehr wohl eine Ausformulierung unserer gesellschaftlichen Werteordnung. Deshalb haben wir das StGB und nicht die Scharia. Und das StGB ist durchaus einem Wandel unterworfen, weil sich Werte/Moralvorstellungen in unserer Gesellschaft nunmal ändern (§ 175 StGB als Beispiel). Je besser Gesetze die Werte einer Gesellschaft abbilden, um so größer ist ihre Akzeptanz. Was selbstverständlich nicht mit einem Automatismus gleichzusetzen ist, dass Jegliches, was moralisch verwerflich erscheint, in einen Straftatbestand münden muss. Sicherlich hat die Auslegung eines Gesetzes/Tatbestandes nichts mit Moral zu tun, sondern mit Fakten.

      pandarul schrieb:

      Der Staat ist verpflichtet, überhaupt entsprechende Gesetze (Strafrecht usw.) vorzuhalten,
      Das trifft den Kern der Sache. Der Staat (als Gesetzgeber)erlässt Gesetze, unterhält eine Gerichtsbarkeit .... .Er tut das (aus seiner Verpflichtung heraus) ZUM SCHUTZ DER BÜRGER.
    • oldschmatterhand schrieb:

      Für die Sicherungsverwahrung gilt das Rückwirkungsverbot auch künftig nicht.


      Aber natürlich gilt es, solange wir nicht aus der Menschenrechtskonvention austreten. Meine Quelle nicht gelesen? Es gilt beides, im Zweifel geht halt die MRK über das Grundgesetz hinaus. Da Deutschland sich zur Einhaltung verpflichtet hat, ist sie verbindlich.

      Deshalb ist das Problem ja auch so gelöst worden, daß die nachträgliche Sicherungsverwahrung künftig bereits im Urteil angeordnet worden sein muß.

      oldschmatterhand schrieb:

      Der Schutz des Bürgers (...) durch den Staat muss sich also unmittelbar aus dem GG ableiten lassen


      Ja, und ich hatte dich nach einer Quelle gefragt. Ich weiß übrigens, wie das funktioniert, ich wollte nur wissen, ob du überhaupt weißt, wovon du schreibst. Jetzt hast du es nach vielen Anläufen mit reinkopiert, daß es sich um Ableitung aus Artikel 2 Abs. 2 handelt. Stand ja auch in einigen meiner Links schon drin, insofern bin ich nicht schlauer als zuvor. ;)

      Daraus wird eine Pflicht des Staates hergeleitet, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß des Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Allgemeinen gewährleistet ist.

      Es handelt sich aber wie alle Grundrechte primär um ein Abwehrrecht gegen den Staat, das den Staat nur sekundär (!) anweist, dafür Sorge zu tragen, daß Polizei, Gesetze usw. usf. zum Schutze des Bürgers grundsätzlich bestehen. Aus dem Grundrecht gegen den Staat ergibt sich kein Grundrecht gegen einen Dritten, das der Staat etwa zu garantieren hätte (daher "es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit"), und insbesondere keins, das man gegen andere Grundrechte abwägen könnte.

      Man kann also nicht einfach sagen: die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung wiegen schwerer als das Grundrecht auf Freiheit -> wegsperren. Aus einer hergeleiteten Schutzpflicht wird kein Recht (in dem Falle: des betroffenen Mädchens) darauf, daß der Täter nicht die (in dem Falle: leider vergebliche) Chance auf Resozialisierung bekommt.

      Und deshalb ist deine Ausgangsthese mit den Wohnungseinbrüchen und das sich die Bürger selbst schützen müßten verfehlt. Sie hat erstens nichts hiermit zu tun, wo "der Staat" (das Land) versucht hat, die Grundrechte der betroffenen Personen zu wahren. Und zweitens gibt es, salopp gesagt, kein Recht darauf, daß nicht in deine Wohnung eingebrochen wird.

      oldschmatterhand schrieb:

      Das ist mir bekannt


      Das war nicht an dich, sondern die Spezialisten à la @Berndsen gerichtet.
    • pandarul schrieb:

      ob du überhaupt weißt, wovon du schreibst
      Ach so jaaa. Das macht eben den Unterschied aus, in der "Diskussions"kultur. Ich bin keineswegs überrascht.

      pandarul schrieb:

      Und deshalb ist deine Ausgangsthese mit den Wohnungseinbrüchen und das sich die Bürger selbst schützen müßten verfehlt
      Wenn Du mich schon zitierst, dann korrekt.

      pandarul schrieb:

      Sie hat erstens nichts hiermit zu tun, wo "der Staat" (das Land) versucht hat, die Grundrechte der betroffenen Personen zu wahren. Und zweitens gibt es, salopp gesagt, kein Recht darauf, daß nicht in deine Wohnung eingebrochen wird.
      Ja und. Du wirst mir dafür kein Zitat in den Mund legen können, dass ich vergleichbares behauptet hätte.
    • Na gut, dann eben gerne exakt;

      Deine These war, daß Bürger, die es sich leisten können (du hast übrigens "in bestimmten Gebieten" vergessen) es offenbar zunehmend als notwendig ansehen (sonst würden sie es ja nicht tun), die Schutzpflichten des Staates selber wahrzunehmen bzw. wahrnehmen zu lassen, was zur Frage "quo vadis, demokratischer sozialer Rechtsstaat" führe. Wenn ich etwas als notwendig ansehe, dann bin ich der Meinung, ich "müßte" das tun.

      Besser? Es liegt mir fern, dir einen Buchstaben in die Finger zu legen, den du nicht getippt hast.


      Und ich sage dazu, daß es eben kein Recht darauf gibt, daß einem nicht die Wohnung ausgeräumt wird. Es gibt eine Pflicht des Staates, Rahmenbedingungen zu schaffen, nach denen das möglichst nicht passiert. Und effektiv zu ermitteln, wenn es trotzdem passiert. Und sicher noch einiges mehr.

      Ich stimme dir auch zu, falls du u.a. darauf hinaus willst, daß man bestimmte staatliche Institutionen besser ausstatten sollte, um den Schutz der Bevölkerung effektiver wahrnehmen zu können.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von pandarul ()

    • Nein, ich bin nicht der Größte, ganz im Gegenteil.

      Ich weiß, daß ich enorm schräge Vorstellungen zum Verfassungsrecht hatte, bevor ich mich mal eindringlich (meint: tausende Seiten lang) damit beschäftigt habe, weil das ein sehr abstraktes Rechtsgebiet ist, wo man mit Hörensagen garantiert gegen die Mauer rennt (*). Und ich kenne mich da immer noch nicht wirklich gut aus und habe nicht das geringste Problem damit, das zuzugeben.

      Aber wer mit dem Grundgesetz argumentiert, daß Wohnungseinbrüche den demokratischen Rechtsstaat bzw. seine Entwicklung in Frage stellen (jaja, Polemik, geschenkt), den darf man schonma fragen, ob er die theoretische Herleitung der postulierten Schutzpflicht überhaupt kennt. Das wäre ja mal die Voraussetzung, um die Auswirkungen davon zu verstehen.

      (*) Kleines OT, aber passend: ist z.B. jedes Mal der Fall, wenn jemand in Bezug auf die eBay-Foren Artikel 5 anführt(e).
    • In dem Fall eines mehrfachen Sexualstraftäters wurden m.E. die Würde eines Menschen verletzt, hier die Würde des Opfers.
      Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. GG Art.1 Abs. 1

      Zu Ströbele und Inzest

      oldschmatterhand schrieb:

      Und wenn man will, kann man auch auf die (vorsichtig formuliert) "Polemik" eingehen, dass Ströbele mal angeblich (lt. EP, ich hab's nicht überprüft) Inzest legalisieren wollte und was das denn bitteschön mit der Sicherungsverwahrung zu tun habe, und dass es eigentlich nicht sein sollte, dass man diesen Themenkreis "gefärbt" angeht (wenngleich natürlich die verschiedenen Parteien unterschiedliche Präferenzen haben zum Thema "Sicherheit UND Freiheit" die einen a bissl mehr Sicherheit, die anderen ein bissl mehr Freiheit)
      Ströbele hat mit der sexuellen Selbstbestimmung argumentiert.
      Meiner Ansicht nach ist das recht gewagt, zumindest aber sehr provokativ, da hier Strafrecht und Moralvorstellungen kollidieren, oder kollidieren werden.

      Focus
      Tagesspiegel
      N-TV
      Die Welt
      Der Beitrag wurde zu 100% aus recycelten Elektronen erstellt. Wer Schrebfeihler oder Dreckfuhler findet, darf sie behalten.
      Und wer meine Omma beleidigt, muss sie mitnehmen.
    • oldschmatterhand schrieb:

      Eine wesentliche Vereinbarung in unserem Grundgesetz ist, dass der Staat seine Bürger zu schützen hat, im Gegenzug liegt das Gewaltmonopol ausschließlich beim Staat.
      Punkt - Absatz - neuer Gedanke

      oldschmatterhand schrieb:

      Aktuelle Diskussionen um die zunehmenden Wohnungseinbrüche, weshalb sich Bürger, die es sich leisten können, vermehrt "sich selber schützen", bzw. sich von privaten Sicherheitsdiensten schützen lassen, führen durchaus zu der Frage: Quo vadis, demokratischer sozialer Rechtsstaat? Es gibt nichts, was es nicht zu verbessern gilt.
      Eine Betrachtung aus dem Blickwinkel "der zunehmenden Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls des Bürgers" am Beispiel drastisch steigender Wohnungseinbrüche.


      pandarul schrieb:

      Und ich sage dazu, daß es eben kein Recht darauf gibt, daß einem nicht die Wohnung ausgeräumt wird.
      Richtig - und habe ich nirgends behauptet, dass es so sei. Ich habe mich jeweils auf die Sicherungsverwahrung vor dem Hintergrund "Schutz der Allgemeinheit vor eeinem gefährlichen Täter" bezogen. Deine Art, Dinge so zu verdrehen, wie es Dir in den Kram passt, zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Forum. Ob sich dadurch bei Dir ein Gefühl der Bestätigung einstellt, solltest Du für Dich hinterfragen*

      pandarul schrieb:

      Aber wer mit dem Grundgesetz argumentiert, daß Wohnungseinbrüche den demokratischen Rechtsstaat bzw. seine Entwicklung in Frage stellen (jaja, Polemik, geschenkt), den darf man schonma fragen, ob er die theoretische Herleitung der postulierten Schutzpflicht überhaupt kennt. Das wäre ja mal die Voraussetzung, um die Auswirkungen davon zu verstehen.
      Frage den Bürger, dessen Sicherheitsgefühl durch Wohnungseinbrüche massiv gestört ist, ob er das Thema aus verfassungsrechtlicher Sicht aufbereitet haben will, oder ob er "ganz untechnisch" von "seinem" Staat Schutz erwartet. Wenn der Bürger in ausufernder Weise dem Staat nicht mehr zutraut, dass er ihn schützt, führt das auf Dauer durchaus zu Tendenzen, die den demokratischen Rechtsstaat erschüttern können. Wenn sich mal "echte" Bürgerwehren bilden sollten, ist die Grenze nicht nur erreicht.


      *
      br.de/radio/bayern2/sendungen/…chosozialer-crash100.html
    • oldschmatterhand schrieb:

      Deine Art, Dinge so zu verdrehen, wie es Dir in den Kram passt, zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Forum. Ob sich dadurch bei Dir ein Gefühl der Bestätigung einstellt, solltest Du für Dich hinterfragen*


      Vielleicht gehst du auch einfach zum geradlinigen Formulieren über? Zugegeben, das ist schwieriger, als eine unsubstantiierte Behauptung aufzustellen, aber wenn du nicht beim Wort genommen werden möchtest, dann solltest du überlegen, ob schriftliche Kommunikation, der eine Reihe von Möglichkeiten zur Interpretation von Konnotation fehlt - es bleibt letztlich nur das wörtliche -, das richtige für dich ist. Mit Verlaub, nur weil du wieder mal deinen Punkt nicht machen kannst, heißt das nicht, daß ich dir irgendwas verdrehe.

      Beispiel: Warum machst du nicht Punkt, Absatz und meinetwegen Gedankenstrich, wenn du Punkt, Absatz und neuen Gedanken formulieren möchtest, sondern schreibst geradeaus weiter und regst dich dann auf, daß man es wagt, deine aufeinanderfolgenden Sätze im Kontext zu interpretieren?

      Wenn ich dich frage, worauf du deine Äußerungen beziehst, warum antwortest du dann mit irgendeinem Zitat aus der Wikipedia, das sich auf eine einfachgesetzliche Regelung bezieht, die überhaupt nichts mit dem Grundgesetz zu schaffen hat, das du selbst (!) in die Diskussion gebracht hast?

      Ist dir überhaupt bewußt, daß der Gedanke, Artikel 2 als eine Schutzpflicht des Staates auszulegen, die Wahrung des Grundrechts der Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit gegen Dritte zu verteidigen, von 1975 ist, also reichlich spät aufkam und irgendwie schlecht eine wesentliche Vereinbarung des Grundgesetzes sein kann? Daß das entsprechende Urteil rund 20 Jahre später wieder gekippt wurde?

      Wo steht, daß es sich um einen Tradeoff für das Gewaltmonopol handelt, hast du übrigens immer noch nicht gesagt.

      .

      Wenn sich der Bürger "ganz untechnisch" nicht mehr vor Wohnungseinbrüchen geschützt fühlt, ändert das überhaupt nichts daran, daß Sicherungsverwahrte auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden müssen und daß dazu auch Freigänge, zunächst begleitet, später unbegleitet, vonnöten sind. Wir werden uns von dem Gedanken, der Staat könne uns schützen, verabschieden müssen, weil der das nicht garantieren kann (nie konnte) und auch nicht will oder gar muß. Es werden auch in Zukunft unauffällige Freigänger vergewaltigen und morden. Und wir werden gar nichts dagegen tun können.

      .

      Du bist im Übrigen mal wieder so verbohrt, daß du nicht mal begriffen hast, daß wir im Wesentlichen die gleiche Meinung zu dem Thema haben. Vielleicht liest du nochmal in Ruhe von vorne. Disclaimer: Du könntest scheuklappenlos zu dem Schluß kommen, daß es völlig unnötig ist, mir Narzissmus vorzuwerfen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von pandarul ()

    • pandarul schrieb:

      Es werden auch in Zukunft unauffällige Freigänger vergewaltigen und morden. Und wir werden gar nichts dagegen tun können.

      naja... man kann schon was tun, aber würde bestraft werden wie zb:
      vom küchenmesser über schußwaffen bis zum wütenden mob käme da einiges infrage, dessen sich der betroffene bürger bedienen könnte.
      manchen ist egal, ob sie das dürfen oder nicht, die sehen dann rot.
      Those who mind don’t matter
      and those who matter don’t mind.
    • Was ist denn ein betroffener Bürger?
      Jemand, der körperlich angegriffen wird, darf sich wehren. Das ist Notwehr und wird nicht bestraft.
      Jemand, der eine bereits verübte Straftat rächen will, begeht Selbstjustiz und die ist selbstverständlich strafbar. Aber unabhängig davon ist dann ja die Straftat, die gerächt werden soll, bereits ausgeübt worden und nicht verhindert. - Darum ging es ja.
      Und jemand, der einem Freigänger einfach so über den Weg läuft, kann doch wohl kaum als Betroffener bezeichnet werden.