BGH: Bankgeheimnis schützt Produktfälscher nicht

    • BGH: Bankgeheimnis schützt Produktfälscher nicht

      BGH Beschluss vom 17.10.2013, I ZR 51/12 schrieb:


      Tenor
      I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
      II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 195 vom 2. Juni 2004, S. 16) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
      Ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass diese Vorschrift einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Bankinstitut in einem Fall wie dem Ausgangsverfahren gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern?
      Gründe
      I. Die Klägerin produziert und vertreibt internationale Parfums. Sie ist exklusive Lizenznehmerin der für Parfumeriewaren eingetragenen Gemeinschaftsmarke Nr. 0968661 "Davidoff Hot Water". Sie ist zur Verteidigung der Markenrechte im eigenen Namen berechtigt.
      Im Januar 2011 bot ein Verkäufer unter der Bezeichnung "s. " auf einer Internetauktionsplattform das Parfum "Davidoff Hot Water" an. Die Zahlung des Kaufpreises sollte auf ein bei der Beklagten, der Stadtsparkasse in Magdeburg, geführtes Konto erfolgen. Die Klägerin ersteigerte das Parfum, zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto bei der Beklagten und erhielt das Parfum unter dem Absender "H. " zugesandt. Das Parfum war eine auch für einen Laien erkennbare Fälschung. Der Betreiber der Internetplattform gab als Verkäufer S. F. , in an. Eine Umsatzanalyse ergab, dass der mit "s. " bezeichnete Ver- käufer in der Zeit vom 12. Dezember 2010 bis 14. Januar 2011 einen Umsatz von 10.956,63 € auf der Internetplattform erzielt hatte.
      Die Klägerin hat behauptet, sie habe von S. F. die Auskunft er- halten, nicht Verkäuferin des Parfums zu sein und wegen eines bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts keine weiteren Informationen zu erteilen. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, Namen und Anschrift des Kontoinhabers anzugeben.
      Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos Nummer .
      Das Landgericht hat die beklagte Sparkasse antragsgemäß zur Auskunft verurteilt (LG Magdeburg, Zeitschrift für Datenschutz 2012, 39). Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG Naumburg, GRUR-RR 2012, 388).
      Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Auskunftsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
      II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. Nr. L 195 vom 2. Juni 2004, S. 16) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

      Handelsblatt schrieb:

      Karlsruhe. Begonnen hatte der Streit mit gefälschten „Davidoff Hot Water“-Parfüms und der Frage, die beim Online-Auktionshaus Ebay verkauft wurden. Die Verkäufer versteckten sich hinter Pseudonymen, der Parfümhersteller Coty wollte über die hinterlegten Kontodaten die Namen der Übeltäter erfahren. Dagegen wehrte sich die Sparkasse Magdeburg mit Verweis auf das Bankgeheimnis – und verlor am Mittwoch vor dem 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH).
      Die Richter entschieden, dass eine Bank bei einer offensichtlichen Markenrechtsverletzung durch einen ihrer Kunden dessen Identität – also Namen und Anschrift – offenlegen muss. Sie dürfe das nicht mit Verweis auf das Bankgeheimnis verweigern, so der BGH (Az. I ZR 51/12).
      Da es sich um ein Urteil des obersten deutschen Zivilgerichts handelt, hat es Auswirkungen auf vergleichbare Fälle. Der BGH stärkte somit die Position von Markenrechteinhabern – zulasten der von Banken. Der Senat habe hier den Grundrechten des Markenrechtinhabers „den Vorrang gegeben“, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Büscher bei der Urteilsverkündung.
      Das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten und das Recht der Bank auf Berufsfreiheit müssten dahinter zurücktreten, so das Gericht. Ein Strafverfahren sei dagegen „keine wirkliche Alternative“, um die fraglichen Daten herauszubekommen, so Büscher.
      Auch wenn das Vorgehen exemplarisch für Produktfälschungen sein mag – dreist gingen die Händler, die bei Ebay das Pseudonym „sandyundbert2009“ nutzten, hier allemal vor. Allein binnen weniger Wochen um Weihnachten 2010 setzte das – mutmaßliche – Duo fast 11 000 Euro mit um.

      Bundesgerichtshof Mitteilung der Pressestelle schrieb:


      Nr. 178/2015
      Zur Verpflichtung einer Bank zur Bekanntgabe des Kontoinhabers bei Markenfälschung
      Urteil vom 21. Oktober 2015 - I ZR 51/12 - Davidoff Hot Water II
      Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers nicht unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.
      Die Klägerin ist Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke "Davidoff Hot Water" an, bei dem es sich offensichtlich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. Nach ihrer Darstellung konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG* auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers in Anspruch genommen.
      Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO** zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.
      Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums*** unterfallen und - wenn dies der Fall sein sollte - ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss (vgl. Pressemitteilung Nr. 173/2013).
      Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 16. Juli 2015 entschieden. Danach ist Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2004/48/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern. Die Prüfung, ob die nationale Rechtsvorschrift eine solche Weigerung bedingungslos gestattet, ist Sache des vorlegenden nationalen Gerichts. Dieses hat auch zu prüfen, ob das nationale Recht gegebenenfalls andere Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel enthält, die es den zuständigen Justizbehörden ermöglichen, im Einklang mit der Richtlinie 2004/48/EG die Erteilung der erforderlichen Auskünfte über die Identität der unter Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie fallenden Personen nach Maßgabe der spezifischen Merkmale des Einzelfalls anzuordnen.
      Der Bundesgerichtshof hat auf dieser Grundlage nunmehr entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Kontoinhabers zusteht. Die Bestimmung des § 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 MarkenG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde. Das Grundrecht des Kontoinhabers auf Schutz der persönlichen Daten nach Art. 8 EU-Grundrechtecharta und das Recht der Bank auf Berufsfreiheit nach Art. 15 EU-Grundrechtecharta müssen hinter den Grundrechten der Markeninhaberin auf Schutz des geistigen Eigentums und einen wirksamen Rechtsschutz zurücktreten (Art. 17 und 47 EU-Grundrechtecharta). Die Möglichkeit der Einleitung eines Strafverfahrens steht einem Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegen ein Bankinstitut nicht entgegen.
      Vorinstanzen:
      LG Magdeburg – Urteil vom 28.9.2011 – 7 O 545/11
      OLG Naumburg – Urteil vom 15.3.2012 – 9 U 208/11
      Karlsruhe, den 21. Oktober 2015
    • http://juris.bundesgerichtshof.de schrieb:

      Die Möglichkeit der Einleitung eines Strafverfahrens steht einem Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gegen ein Bankinstitut nicht entgegen.
      Dennoch wird das Strafverfahren (Anzeige) der übliche Weg bleiben, an die Identität hinter einem Bankkonto zu gelangen? Denn behaupten kann ja jeder vieles, wie soll die Bank das berechtige Interesse eines Antragstellers prüfen? Auch wenn es sich hier wirklich um eine "auch für einen Laien erkennbare Fälschung" gehandelt hat, aber das eben vom Antragsteller "angeblich"?
      Bedenke: "Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt." ^^ Ringelnatz :D
      Was heißt das? Abkürzungen, "Forengeheimsprache" und "geflügelte Worte"

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