BGH verhandelt am 28. September 2022 zum Thema Bewertungen auf ebay

    • BGH verhandelt am 28. September 2022 zum Thema Bewertungen auf ebay

      Bundesgerichtshof
      Mitteilung der Pressestelle Nr. 125/2022 vom 19.08.2022


      Verhandlungstermin am 28. September 2022, 11.00 Uhr – VIII ZR 319/20 (Anspruch auf Entfernung einer negativen Bewertung bei eBay aufgrund nachvertraglicher Nebenpflichtverletzung?)

      Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer, der ein Produkt über die Internetplattform ebay verkauft, einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung einer von diesem abgegebenen negativen Bewertung hat.

      Sachverhalt:

      Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise:

      "§ 8 Bewertungen
      […]
      2. Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.
      […]".

      Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag "Ware gut, Versandkosten Wucher!!".

      Die Klägerin hält die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" für unzulässig.

      Bisheriger Prozessverlauf:

      Die auf Entfernung der Bewertung und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht keinen Erfolg gehabt. Nach Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich bei der Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.

      Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt.

      Aus Sicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte mit der Bewertung eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB) und hierdurch einen Schaden verursacht, weil sich die negative Bewertung ungünstig auf die Möglichkeit der Klägerin auswirke, zukünftig Geschäfte über eBay abzuschließen.

      Die Bewertung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der eBay-AGB, aus dem sich ein über die Abwehr von Schmähkritik und unwahrer Tatsachenbehauptungen hinausgehender Schutz ergebe. Es handele sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten als "Wucher" darstellten.

      Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

      Vorinstanzen:
      AG Weiden in der Oberpfalz – 1 C 140/20 – Urteil vom 22. Juni 2020
      LG Weiden in der Oberpfalz – 22 S 17/20 – Urteil vom 28. Oktober 2020

      Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

      § 241 BGB Pflichten aus dem Schuldverhältnis

      (1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
      (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

      § 280 BGB Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

      (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
      […]

      Karlsruhe, den 19. August 2022

      Pressestelle des Bundesgerichtshofs
      76125 Karlsruhe

      Link zur Pressemitteilung: bundesgerichtshof.de/SharedDoc…ngen/DE/2022/2022125.html


      Soweit so gut. Und jetzt alle: Inzwischen haben die Käufer 500 Zeichen lang die Möglichkeit, Mist zu bauen. :D
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Interessante Sache!
      Ist der Kommentar "Versandkosten Wucher" sachlich oder eine Schmähkritik? Tja, darüber kann man tatsächlich streiten. Auf das BGH-Urteil bin ich gespannt.
      Davon abgesehen, erscheint mir die Klägerin etwas unentspannt zu sein, wenn sie meint, dass ein derartiger Kommentar sich negativ auf zukünftige Geschäfte auswirken könnte.
      Ersten gibt es im Allgemeinen noch ganz andere Kommentare bei ebay in den Bewertungen, die viel eher eine Klage vor Gericht ermöglichen würden.
      Wenn ein VK bei einem derartigen läppischen Kommentar schon die Kanonen lädt ... na ja ich weiß nicht ...
      Neurotikerin?

      Als VK (vor allem gewerblich) sollte man über solchen Kleinigkeiten stehen.
      Wenn ich wüßte, wer die VKin ist, würde ich dort auf gar keinen Fall etwas kaufen. Nein Danke!

      Viel besser wäre sie gefahren, wenn sie über diesen Dingen stehen würde und einen derartigen Kommentar nur kurz und knapp gegenkommentiert hätte. Fertig!

      Zukünftige Interessenten ihrer Angebote können sich sehr einfach ein eigenes Bild ihrer VK machen und ihre Kaufentscheidung danach ausrichten.
      Falls ich jedenfalls einen deratigen Kommentar lese, mache ich mir trotzdem mein eigenes Bild über die aktuellen VK dort.

      Ich weiß nicht, was so manchmal mit den Menschen los ist.

      Letztendlich könnte es schon sein, dass der BGH das LG-Urteil mehr oder weniger bestätigt und den Kommentar tatsächlich als Schmähkritik (könnte ja schon so definiert werden) sieht.

      Na denn ...
      time flies like an arrow - fruit flies like a banana
    • Davon abgesehen, erscheint mir die Klägerin etwas unentspannt zu sein, wenn sie meint, dass ein derartiger Kommentar sich negativ auf zukünftige Geschäfte auswirken könnte.


      (Jetzt mal unabhängig von diesem speziellen Fall und Wortlaut) Das hoff ich doch, dass eine Negative sich so auswirkt! So waren Bewertungen schließlich ursprünglich mal gedacht.

      Was mich aber wirklich verblüfft: Dass ein Fall um solch einen Kleckerstreitwert durch alle Instanzen geht. ::2)

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      Wenn etwas einmal passiert, passiert es vielleicht nie wieder. Wenn etwas zweimal passiert, passiert es sicher auch ein drittes Mal

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    • Es geht darum, nun eine grundsätzliche Entscheidung herbeizuführen. Zum Einen, ob der Kommentar "Versandkosten Wucher" noch sachlich oder eine Schmähkritik ist und vielleicht auch eine Feststellung, wo eine allgemeine Grenze zur Schmähkritik erreicht ist. Andernfalls bestünde auch zukünftig die Gefahr, dass jeglicher Kommentar über die Grenze der reinen Sachlichkeit hinaus als nicht zulässige Schmähkritik gelten würde.

      Ich hatte ja schon geschrieben, dass - ich jedenfalls - es für vollkommen überzogen halte, dass die Verkäuferin wegen dieses Kommentars vor Gericht geht. Einfach locker darüber stehen, hätte ihr besser gestanden.
      Andere Interessenten ihrer Angebote können anhand der angegebenen Versandkosten selbst entscheiden, ob sie dies als überzogen ("Wucher") oder nicht ansehen. Einen derartigen Kommentar in den Bewertungen würde ich jedenfalls als Interessent nicht unkritisch auf mich einwirken lassen und nur danach meine Kaufentscheidung festlegen. Einfach mal die vorhandenen Angebote und die dort aufgeführten Versandkosten ansehen und fertig.
      Ich glaube nicht, dass ein derartiger Kommentar die Kaufentscheidung anderer Interessenten großartig beeinflusst.
      Aber die Verkäuferin sieht die Sache enger. Ist ihr gutes Recht.

      Davon abgesehen wäre es auch mal interessant zu erfahren, wie der Käufer überhaupt seinen Kommentar begründet.
      Wo sieht er bei den Versandkosten den Wucher?
      Waren ihm die Versandkosten beim Kauf bekannt? Üblicherweise ist davon auszugehen.
      Deshalb würde es mich schon wundern, dass ein Käufer nach dem Kauf (und bereits bekannten Versandkosten) nun diese Kosten als Wucher ansieht.
      Wenn ihm die Versandkosten schon vor dem Kauf bekannt waren und er sie für Wucher hält, warum hat er dann überhaupt dort gekauft?

      Der Straftatbestand Wucher ist gesetzlich definiert.

      Haben die vorinstanzlichen Gerichte festgestellt, dass es sich bei diesen Versandkosten nicht um Wucher gehandelt hat?
      Die Möglichkeit, dass es sich bei diesen Versandkosten tatsächlich um Wucher gehandelt hat, ist doch eher äußerst gering. Dafür müssten nämlich definierte Voraussetzungen erfüllt sein.
      Falls es sich bei den Versandkosten nicht um Wucher handelt, wäre der Kommentar unangemessen und möglicherweise die Grenze zu einer ehrverletzenden Behauptung erreicht.
      Dem Käufer war vielleicht gar nicht bewusst, daß er sich damit womöglich ein bisschen zu weit aus dem Fenster lehnt.
      Der Begriff Wucher wird landläufig oft nur mit überzogenen Kosten in Verbindung gesetzt. Dem ist aber nicht so. Wucher beinhaltet mehr als nur das.
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    • Wahrscheinlich für 1 € oder so ähnlich verschickt und eben 4,90 € verlangt.
      Darauf deutet meiner Meinung nach die Bewertung hin.

      Das ewige Problem, dass die Käufer einfach nicht einsehen wollen, dass eine Versandkostenpauschale eben nicht nur die reinen Versandkosten abdeckt.
    • Fairhandel schrieb:

      Wenn ein VK bei einem derartigen läppischen Kommentar schon die Kanonen lädt ... na ja ich weiß nicht ...
      Neurotikerin?
      Wohl eher Schauze sowas von Pleng von diesem verwöhnten Käuferpack, das meint, es kann sich alles erlauben.

      So 'nen Verkäufer hab' ich mindstens einmal pro Woche in der Leitung.

      Und mal ganz offen: Wenn einem was nciht apsst, dann kann man nett bitten (hat der Käufer wohl nicht drauf reagiert) oder eben den dicken Hammer auspacken. also klagen. Und im Erntsfall eskaliert das dann eben. Einer von beiden zahlt hinterher dann die Rechnung. Wird so oder so 'ne teure Bewertung. *schulterzuck*


      Fairhandel schrieb:

      Es geht darum, nun eine grundsätzliche Entscheidung herbeizuführen.
      Du kannst sicher sein, dass ebay das Verfahren ganz genau beobachtet. Denn die haben dann auch ein Problem. Hier wurde jetzt zwar der Käufer verklagt, man hätte aber auch ebay über die Rechtswidrigkeit in Kenntnis setzen und dann direkt verklagen können. In dem Moment fällt das Haftungsprivilieg des Diensteanbieters weg.

      Und je nach Ausgang könnte das dann auch Auswirkungen auf das Bewertungssystem haben. Aber lassen wir uns einfach mal überraschen.
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Ich habe ja auch teilweise Verständnis für die Verkäuferin. Der Begriff Wucher ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit diesem Kauf vollkommen unzutreffend.
      Zulässig wäre ein derartiger Kommentar nur, wenn gerichtlich festgestellt worden wäre, dass es sich bei diesem Kauf tatsächlich um Versandkosten-Wucher gehandelt hat.
      Eine Feststellung darüber ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens.

      Ah ja, genau, die Verkäuferin hätte ebay verklagen können. In dem sie aber den Käufer verklagt hat, wird letztendlich - passendes BGH-Urteil vorausgesetzt - auch ebay mit den Folgen umgehen müssen.
      Das könnte für ebay zusätzliche Arbeit bedeuten. Vielleicht würde dann ein Bewertungs-Wortfilter eingebaut werden. :huh:

      Generell sollte man stets über die eigene Wortwahl bedacht sein. Gerade wenn dies schriftlich festgehalten ist und nachgewiesen werden kann, wer es geschrieben hat.

      Leider war dem Käufer in seinem Ärger nicht bewusst, wie sehr er sich damit in den Dreck reiten kann ...
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    • Reducal schrieb:

      Fairhandel schrieb:

      Der Straftatbestand Wucher ist gesetzlich definiert
      Der BGH verhandelt aber nur die zivile Angelegenheit.
      Würde mich nicht wundern, wenn auch eine Strafanzeige erstattet wurde (die freilich vermutlich und zu Recht längst eingestellt ist).
      Ja klar, da noch nicht gerichtlich festgestellt wurde, dass es sich bei den Versandkosten tatsächlich um Wucher gehandelt hat, ist die Behauptung des Käufers unzulässig und eventuell zusätzlich ehrverletzend, da sie sich auf einen Straftatbestand bezieht.

      In diesem Verfahren geht es nur um die Feststellung der Unzulässigkeit. Unzulässig ist die Behauptung so lange, bis der angebliche Wucher von irgendeinem Gericht als zutreffend festgestellt werden würde. Davon ist eigentlich nach bisherigem Anschein nicht auszugehen.


      Eine Strafanzeige der Verkäuferin wegen ehrverletzender Behauptung wäre ja möglich. Was daraus werden würde ...?

      Eine Strafanzeige des Käufers wegen Wucher (wie von ihm behauptet wurde) wäre auch möglich. Dabei würde ich mir aber eine ganz schnelle Einstellung des Verfahrens vorstellen.
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    • Fairhandel schrieb:

      Eine Strafanzeige der Verkäuferin wegen ehrverletzender Behauptung wäre ja möglich. Was daraus werden würde ...?
      ...wäre sie nicht, auch wenn die meisten (dämlichen) Polizisten sowas abenteuerliches tatsächlich aufnehmen. Ehrverletzung ist vom Strafrecht nicht abgedeckt, allenfalls Verleumdung und Beleidigung.

      Für hier mitlesende Polizisten: für sowas (nur) Tagebucheintrag/Meldung mit Aktenzeichen erstellen und formlos zu weiteren Entscheidungen an StA schicken! Die Klärung derartiger Fälle ist nicht die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden.
    • Kaiolito schrieb:

      Wahrscheinlich für 1 € oder so ähnlich verschickt und eben 4,90 € verlangt.
      Darauf deutet meiner Meinung nach die Bewertung hin.

      Das ewige Problem, dass die Käufer einfach nicht einsehen wollen, dass eine Versandkostenpauschale eben nicht nur die reinen Versandkosten abdeckt.

      wenn der Verkäufer den Versand per BÜWA oder Brief angibt, dann 4,90 Euro berechnet und für 1 Euro verschickt, ist es mir auch egal

      wenn allerdings der Verkäufer eine bestimmte Versandart angibt und dann ggf. mit einer minderwertigeren Versandart verschickt oder womöglich meint, dass Versandunternehmen ohne Absprache wechseln zu können, werde ich piesig, und ja, das gilt auch für gewerbliche Anbieter, da Versandart und vor allem das Unternehmen bei mir die Kaufentscheidung beinflussen
    • Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle zum Urteil des VIII. Zivilsenats vom 28.9.2022 - VIII ZR 319/20

      (Diese Entscheidung liegt am Bundesgerichtshof noch nicht gedruckt vor. Sobald sie gedruckt vorliegen wird, werden Sie sie an dieser Stelle finden.)

      BGH schrieb:

      juris.bundesgerichtshof.de/cgi…rt=pm&pm_nummer=0141%2F22



      Zur Zulässigkeit einer negativen Bewertung bei eBay (hier: "Versandkosten Wucher!!")
      Urteil vom 28. September 2022 - VIII ZR 319/20
      Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer, der ein Produkt über die Internetplattform eBay verkauft, einen Anspruch gegen den Käufer auf Entfernung einer von diesem abgegebenen negativen Bewertung hat.
      Sachverhalt:
      Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto. Davon entfielen 4,90 € auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Der Verkauf erfolgte auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es auszugsweise:
      "§ 8 Bewertungen
      […]
      2. Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.
      […]".
      Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag "Ware gut, Versandkosten Wucher!!".
      Bisheriger Prozessverlauf:
      Das Amtsgericht hat die auf Entfernung dieser Bewertung und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Amtsgerichts handele es sich bei der Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.
      Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Aus Sicht des Berufungsgerichts habe der Beklagte eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB). Die Bewertung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay (nachfolgend: eBay-AGB). Daraus ergebe sich ein über die Abwehr von Schmähkritik hinausgehender Schutz. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" handele es sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, die nicht gerechtfertigt sei, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten aus Sicht des Käufers als "Wucher" darstellten.
      Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
      Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
      Die Revision des Beklagten hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Klägerin ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht zusteht, auch nicht unter dem vom Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkt einer (nach-)vertraglichen Nebenpflichtverletzung.
      Anders als das Berufungsgericht es gesehen hat, enthält die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren.
      Zwar ist der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Für das Verständnis, dem Sachlichkeitsgebot in § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB solle gegenüber dem Verbot der Schmähkritik ein eigenständiges Gewicht nicht zukommen, spricht aber bereits der Umstand, dass hier genaue Definitionen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich" in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen fehlen. Es liegt in diesem Fall im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, die Zulässigkeit von grundrechtsrelevanten (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG [beim Verkäufer], Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG [beim Käufer]) Bewertungen eines getätigten Geschäfts an den gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Schmähkritik auszurichten und hierdurch die Anforderungen an die Zulässigkeit von Bewertungskommentaren für die Nutzer und eBay selbst möglichst greifbar und verlässlich zu konturieren. Zudem hätte es der gesonderten Erwähnung der Schmähkritikgrenze nicht bedurft, wenn dem Nutzer schon durch die Vorgabe, Bewertungen sachlich zu halten, eine deutlich schärfere Einschränkung hätte auferlegt werden sollen. Außerdem würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden von vorherein ein geringeres Gewicht beimessen als den Grundrechten des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers regelmäßig bereits dann als unzulässig einstufte, wenn sie herabsetzend formuliert ist und/oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruht. Eine solche, die grundrechtlichen Wertungen nicht hinreichend berücksichtigende Auslegung entspricht nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien.
      Die Grenze zur Schmähkritik ist durch die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht überschritten. Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.
      Daran fehlt es hier. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setzt sich - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.
      Vorinstanzen:
      AG Weiden in der Oberpfalz – 1 C 140/20 – Urteil vom 22. Juni 2020
      LG Weiden in der Oberpfalz – 22 S 17/20 – Urteil vom 28. Oktober 2020
      Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
      Grundgesetz
      Artikel 2 [Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person]
      (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
      […]
      Artikel 5 [Recht der freien Meinungsäußerung, Medienfreiheit, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit]
      Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. […]
      Bürgerliches Gesetzbuch
      § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis
      (1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
      (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
      § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
      (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
      […]
      Karlsruhe, den 28. September 2022
      Pressestelle des Bundesgerichtshofs
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    • Urteile sind auch immer das direkte Ergebnis der Klage. Was nicht eingeklagt ist, wird auch nicht ausgeurteilt. Da werde ich also mal noch den Volltext abwarten.

      So wie das in der Pressemeldung aussieht, hat der beleidigte Händler nämlich nur beleidigt reagiert und damit alleine den Weg zur Untersuchung der Schmähkritik eröffnet. Darauf lässt jedenfalls die Abwägung der grundgesetzlichen Rechtsgüter schliessen.

      Richtigerweise lautet § 8 Abs. 2 S. 1 (der in der Pressemeldung auch nirgends auftaucht) allerdings

      Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen.
      Ich sehe aber nur, dass Wucher keine unerlaubte Schmähkritik darstellt. Nun, das mag ja sein. Die Behandlung der Frage, ob die Formulierung in sich bereits keine wahrheitsgemäße Angabe und damit vertragswidrig war, sehe ich hier nicht.

      Gaaanz alter Merksatz für alles, was irgendwie in Streit ausarten kann:


      Es ist nichts persönliches. Es geht nur ums Geschäft. 8)
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.
    • Das ist aber hübsch verpackt. :lach:

      Aber nun wird natürlich auch klar, wieso der Kläger nicht auf den Zug mit Satz 1 aufgesprungen ist. Dazu hätte er ja belegen müssen, dass er tatsächlich versendet hat wie vereinbart und damit dann bereits die eigrntlich schädliche Meinungsäusserung "Negativ" mit dem Argument "Das stand exakt so im Vertrag, kann also nicht nachverraglich erst negativ gesehen werden" angegriffen hat. Und hier glaube ich dem Beklagten sogar, dass er 'ne Warensendung für 1,50 bekommen hat.Zumindest spricht die Erfahrung deutlich dafür.

      Sonst würde ich als Kläger auch nicht bis zum BGH gehen, ohne nicht wenigstens den Versandbeleg von DHL vorzulegen. Ist aber halt blöd, wenn man das dann nicht kann, weil man keinen hat.

      Wird spannend, wie sich das mit den 500 Zeichen weiterentwickelt. :D
      Wenn Dir ein ebay-Mitarbeiter die Hand gibt und "Guten Tag" sagt, sind folgende drei
      Wahrheiten als self-evident zu erachten und als sicher gegeben anzusehen:

      1.) Zähle nicht nur deine Finger nach, sondern auch deine Hände. So Du welche hast auch die Füße.
      2.) Draussen ist es mitten in der Nacht und dunkel wie im Bärenarsch.
      3.) Der einzige Lichtschein dringt aus den Pforten der Hölle, die sich geöffnet haben weil die Welt untergeht.