LG Aurich, Urteil vom 3. Februar 2014, Az. 2 O 565/13 zum vorzeitigen Auktionsabbruch bei ebay

    • LG Aurich, Urteil vom 3. Februar 2014, Az. 2 O 565/13 zum vorzeitigen Auktionsabbruch bei ebay

      Am 3. Februar fällt das LG Aurich unter dem Az. 2 O 565/13 ein in meinen Augen höchst fragwürdiges Urteil. Hier geht es zum Volltext: openjur.de/u/674956.html

      Wie so häufig in letzter Zeit ging es um einen vorzeitigen Auktionsabbruch bei ebay. Verkauft wurde ein Schlepper, der Höchsbietende bei Abbruch der Auktion klagte auf Schadensersatz. Die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht kannte zwar das richtungsweisende BGH-Urteil von 2011, zog es aber nicht entscheiden zur Urteilsbegründung hinzu:

      Die für die Auslegung der Willenserklärung heranzuziehenden ebay-AGB lassen einen Auktionsabbruch allerdings nur dann sanktionslos zu, wenn der Verkäufer „gesetzlich“ dazu berechtigt war, dass Angebot zurückzunehmen. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Unmöglichkeit eintritt, weil dem Verkäufer der Artikel zwischenzeitlich entwendet worden ist (so in BGH, VIII ZR 305/10, 08.06.2011). Der Verkäufer ist ebenfalls zu einem Auktionsabbruch gesetzlich berechtigt, wenn er einem Irrtum im Sinne der §§ 119 ff. BGB unterliegt. Er unterliegt dann aber der Pflicht zur unverzüglichen Anfechtungserklärung und einer eventuellen Schadensersatzpflicht gemäß § 122 BGB.

      Das Gericht sieht dagegen die AGB-Klausel von ebay, wonach zunächst einmal ein Kaufvertrag zwischen Anbieter und Höchstbietendem bei Auktionsabbruch entsteht, als unwirksam an:

      Ist der Verkäufer allerdings nicht wegen Unmöglichkeit oder Anfechtung dazu berechtigt, sein Angebot zurückzunehmen, so bestimmen die ebay-AGB, dort in § 10 Nr. 1, als Rechtsfolge des Auktionsabbruchs einen Vertragsschluss zwischen dem Verkäufer und dem zum Zeitpunkt des Abbruches der Auktion Höchstbietenden zu dessen Gebotshöhe.

      Diese Regelung in den ebay-AGB hält das Gericht für ungeeignet, eine vertragliche Bindung zwischen den Parteien zu begründen:

      Die Regelung in § 10 Nr. 1 der ebay AGB stellt, soweit sie einen Vertragsschluss statuiert zwischen dem Anbietenden, der eine Auktion, ohne „gesetzlich berechtigt“ zu sein, abbricht, und dem zum Zeitpunkt des Auktionsabbruches Höchstbietenden, sowohl einen Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB als auch eine unangemessene Benachteiligung des Verkäufers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

      Bei den ebay-AGB handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen, die ebay als Verwender jedem Auktionsteilnehmer stellt und die Vertragsbestandteil jeweils zwischen ebay und dem potentiellen Verkäufer und ebay und dem potentiellen Käufer werden.

      Die Bestimmung, wonach bei Auktionsabbruch ohne gesetzlichen Grund ein Kaufvertrag mit dem zum Abbruchzeitpunkt Höchstbietenden entstehe, fingiert eine vom wahren und erkennbaren Willen des Verkäufers abweichende Willenserklärung, resultierend aus dem Auktionsabbruch, ohne dass dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt wird, seinem abweichenden Willen wirksam Ausdruck zu verleihen und dadurch die Fiktionswirkung zu vermeiden. Die Fiktionswirkung ist vielmehr zwingend Eine solche Klausel ist gem. § 308 Nr. 5 BGB unwirksam.

      Die Klausel verstößt ferner gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

      RA Christian Solmecke meint hierzu:

      Diese Entscheidung des Landgerichtes Aurich steht meiner Ansicht nach nicht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Einklang, wonach der vorzeitige Abbruch einer eBay-Auktion nur in engen Ausnahmefällen – wie etwa einem Diebstahl es Artikels – zulässig ist.

      wbs-law.de/e-commerce/vorzeiti…-schadensersatz-zu-50488/
      „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Voltaire

      Der Horizont mancher Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null - das nennen sie dann ihren Standpunkt.
    • Es handelt sich (natürlich) um einen Fall aus dem Forum.

      Herr Solmecke hat mit seiner Einschätzung natürlich völlig Recht, insbesondere verkennt das LG ja völlig, daß ein Kaufvertrag bestand, und dazu gar nichts fingiert wurde, schon gar keine Erklärung. Denn daß beim (unberechtigten) Abbruch der Höchstbieter Vertragspartner ist, ergibt sich ja nicht aus irgendwelchen Abbruch-Bedingungen, sondern daraus, wie bei eBay Verträge zustandekommen (Einstellen=Antrag, Gebot=Annahme). Diese Verbindlichkeit ist nur durch die Abbruch-Bedingungen eingeschränkt.

      Der Höchstbieter muß nicht im Falle eines unberechtigten Abbruchs wegen einer bestimmten Klausel verkaufen, sondern er darf bei einem berechtigen Abbruch wegen einer bestimmten Klausel ausnahmsweise nicht verkaufen.

      pandarul schrieb:

      Das Problem an diesem Urteil ist, daß es die BGH-Rechtsprechung zum Vertragsschluß bei eBay unberücksichtigt läßt, nach der eben nicht erst ein Vertrag zum (regulären) Auktionsende zustande kommt, sondern mit jedem Höchstbieter erneut (schwebend), auch zum Gebot von 1,-.

      Dieses Urteil kippt in der nächsten Instanz.
    • Hast du mal darüber nachgedacht, daß wir absichtlich nicht den Namen genannt haben, damit Hilfesuchende über google in dem bereits oben verlinkten Thread zu Thema landen und nicht hier, wo sie dann vollkommen überflüssige Postings abgeben, die nichts mit dem Thema "Urteilsdatenbank - Rechtsprechung - Gesetzgebung » LG Aurich, Urteil vom 3. Februar 2014, Az. 2 O 565/13 zum vorzeitigen Auktionsabbruch bei ebay" zu tun haben?

      Ich hoffe jemand editiert dein Posting. Wolltest du dich an der Diskussion der Entscheidung beteiligen, oder geht es dir um die Personen? Dann bitte drüben, wo es sich bereits seitenweise um ebendiese dreht. Es gibt übrigens wie angedeutet auch überhaupt keinen Grund zur Freude (= zur hervorhebenden Schriftgröße oder Fettdruck), da es sich um eine Fehlentscheidung handelt, die auf dem etwaigen Instanzweg nicht standhalten wird.

      Ob der Vortrag eines Irrtums oder Fehlers beim Eingeben des Angebotes gelingen wird, womit dann in der Sache natürlich ein berechtigter Abbruch vorgelegen hätte, mit der Folge, daß kein Kaufvertrag entstanden wäre, wird sich dann zeigen. Ggf. bliebe das Ergebnis des Rechtsstreits das gleiche, nur eben mit dann korrekter Begründung.

      Möglicherweise ist aber auch gar keine Berufung eingelegt worden, da der Kläger und sein Anwalt sich in einem anderen Verfahren (das wäre dann deins @laboe) bereits ins Stammbuch schreiben lassen mußten, daß eine Anfechtung bei berechtigtem Auktionsabbruch nicht nötig ist. Deshalb dürften sie sich über ihre Chancen im Klaren sein.

      In dem Fall bliebe dieses Urteil so stehen. Man kann dann aber nur in aller Deutlichkeit raten, es auf gar keinen Fall als Beispiel anzuführen, insbesondere nicht gegenüber Geschädigten, die sich deshalb vielleicht falsche Hoffnungen machen.
    • Das Urteil ist doch auch schön.(Falls es noch kein Thema war).

      BGH-Urteil zu wirksamer eBay-Angebotsrücknahme.

      onlinemarktplatz.de/42378/bgh-…-ebay-angebotsruecknahme/

      Das Urteil im Volltext:
      juris.bundesgerichtshof.de/cgi…az=VIII+ZR+63/13&nr=66555

      ...Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

      Man darf sich in Geduld üben.
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    • Die Berufung wurde per Beschluß vom OLG Osnabrück zurückgewiesen:

      Ostring schrieb:

      B e s c h l u s s
      12 U 26/14
      2 0 565/13 Landgericht Aurich

      in dem Rechtsstreit

      94034 Passau,

      Kläger und Berufungskläger,

      Prozessbevollmächtigte:
      94034 Passau,

      gegen

      Beklagter und Berufungsbeklagter,
      Prozessbevollmächtigter:

      Rechtsanwalt
      hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden

      Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Amtsgericht

      und den Richter am Oberlandesgericht
      am 27. Mai 2014

      einstimmig beschlossen:

      Die Berufung des Klägers gegen das am 03.02.2014 verkündete
      Urteil des Landgerichts Aurich wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
      Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig
      vollstreckbar.
      Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 17.000,- Euro.

      Gründe:
      Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss
      zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den
      Hinweisbeschluss des Senats vom 17.04.2014 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2
      Satz 3 ZPO). Die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 23.05.2014 führen
      nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Entgegen der Ansicht des Klägers
      lassen die Gesamtumstände des Falles, namentlich der Umstand, dass der
      Beklagte die Auktion noch am Tage des Auktionsbeginns wieder beendet und das
      Auktionsobjekt in unmittelbarem Anschluss mit korrigierten Angaben wieder
      eingestellt hat, hinreichend deutlich erkennen, dass er zunächst eine Erklärung
      abgegeben hatte, die er nicht abgeben wollte. Ein weitergehender Erkenntnisgewinn
      ist insoweit von einer mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten.


      Das OLG glaubt dem Verkäufer, einen relevanten Irrtum begangen und daher berechtigt abgebrochen zu haben, wie aus o.g. Hinweisbeschluß deutlich wird:


      Ostring schrieb:

      Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
      II.
      Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
      Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
      Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
      Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann von dem Beklagten den geltend gemachten Schadensersatz nicht verlangen, da zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht zustande gekommen ist.
      Der Beklagte hat sein mit dem Einstellen des Fahrzeugs auf der eBay Website verbundenes verbindliches Verkaufsangebot nach § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB wirksam vor Ablauf der Auktionszeit zurückgenommen, so dass es nicht zum Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Kläger als dem im Zeitpunkt der Angebotsrücknahme Höchstbietenden gekommen ist.
      Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB kommt bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn, der Anbieter war „gesetzlich dazu berechtigt", das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. Die Regelung ermöglicht es dem Anbieter, sein Angebot vor Ablauf der festgesetzten Auktionszeit zurückzunehmen, wenn er „gesetzlich dazu berechtigt" ist. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW 2011, 2643/2644; MDR 2014, 202) ist das Verkaufsangebot des
      Anbieters danach aus der Sicht des an der Auktion teilnehmenden Bieters (§§ 133, 157 BGB) dahin zu verstehen, dass es unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme steht, wobei die Bezugnahme auf eine „gesetzliche" Berechtigung nicht im engeren Sinne allein auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Anfechtung (§ 119ff BGB), sondern auch auf Fälle einer schuldlosen Leistungsstörung durch Verlust oder Beschädigung des Artikels verweist. Ein solcher Vorbehalt, der die Bindungswirkung des Verkaufsangebots einschränkt, verstößt dabei nicht gegen die Grundsätze über die Bindungswirkung von Angeboten (§§ 145, 148 BGB), sondern ist, da der Antragende gemäß § 145 BGB die Bindungswirkung in Bezug auf sein Angebot (z.B. durch einen Widerrufsvorbehalt) auschließen kann, zulässig. Ein Angebot des Verkäufers ist daher nach § 10 Abs. 1 Satz 5 eBay-AGB schon nicht bindend, wenn allein der Tatbestand vorliegt, der den Verkäufer bei einem zustande gekommenen Vertrag zur Lösung vom Vertrag berechtigen würde (vgl. BGH MDR 2014, 202 a.E.). Auf weitergehende Erklärungen des Anbieters, also z.B. eine Anfechtungserklärung gegenüber dem Höchstbietenden, kommt es für das Fehlen bzw. den Wegfall der Bindungswirkung nicht an.
      Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte hier aufgrund eines bestehenden Rechts zur Anfechtung nach §§ 119ff BGB nicht an sein Verkaufsangebot gebunden, so dass bei der Auktionsbeendigung eine berechtigte Angebotsrücknahme vorlag und mit dem Kläger als in diesem Zeitpunkt Höchstbietenden kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist.
      Der Beklagte hat vorgetragen, dass er das zu veräußernde Fahrzeug bei der eBay Auktion irrtümlich als im Auftrag der Firma XXXXXXXX angeboten eingestellt habe, während er es tatsächlich im eigenen Namen habe anbieten wollen. Damit hat er einen zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigenden Irrtum in der Erklärungshandlung dargelegt (vgl. insoweit Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl. § 119, Rn. 10 m.w.Nachw.). Daran, dass der behauptete Irrtum und damit ein Anfechtungsgrund tatsächlich vorlag, hat der Senat bereits nach den unstreitigen Umständen keine Zweifel. Der Beklagte hat die maßgebliche, auf einen Zeitraum von sieben Tagen angesetzte Auktion noch am Tag des Auktionsbeginns wieder beendet und das zu verkauftende Fahrzeug anschließend innerhalb von weniger als fünf Minuten mit zutreffenden Angaben wieder in einer neuen Auktion (zu im Übrigen gleichen Kondtionen) angeboten. Dieses Vorgehen kann nur damit erklärt werden, dass der Beklagte die fehlerhaften Angaben in der urspünglichen Auktion korrigieren wollte, sich also bei der ersten Auktion in dem von ihm dargestellten Irrtum befunden hatte.

      Unabhängig davon, dass eine Berichtigung des Angebots nach den eBay-Regeln ggfs auch innerhalb der ursprünglichen Auktion möglich gewesen wäre, lagen demnach die Voraussetzungen einer berechtigten Angebotsbeendigung vor.
      Die Frage, ob sich der Kläger möglicherweise nach Treu und Glauben auf das Vorliegen eines Schadens durch die Auktionsbeendigung nicht berufen kann, weil er, wie der Beklagte unter Beweisantritt und Vorlage diverser Unterlagen behauptet, den Vertragsschluss gar nicht angestrebt, sondern gezielt auf Auktionsabbrüche und daraus resultierende Schadensersatzansprüche spekuliert hat, bedarf daher keiner weitergehenden Aufklärung.


      Auf die etwas abenteuerlichen Einlassungen des LG zur fingierten Erklärung geht das OLG nicht ein, da es darauf nicht mehr ankam und beläßt es bei "Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.".

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