Anhörung der Tochter nicht zwingend!

    • Anhörung der Tochter nicht zwingend!

      Eine Ehemann beabsichtigte, die nicht eheliche Tochter seiner Ehefrau zu adoptieren. Das mit der Sache befasste Familiengericht beauftragte das zuständige Jugendamt mit einer Stellungnahme. Die Behörde sah sich jedoch hierzu außer Stande, da es durch die Anhörung die Gefahr einer gravierenden psychischen Schädigung des Kindes sah, das nicht wusste, dass der Ehemann ihrer Mutter nicht sein leiblicher Vater ist. Schließlich verweigerte auch die Mutter aus den gleichen Gründen eine Anhörung des Kindes durch das Gericht. Der Familienrichter lehnte daraufhin den Adoptionsantrag ab.

      Das Bayerische Oberste Landesgericht hob das Urteil auf. Die Zurückweisung eines Adoptionsantrags darf nicht bereits deshalb erfolgen, weil das Jugendamt der Auffassung ist, sich ohne persönliche Anhörung des Kindes in der Sache nicht abschließend äußern zu können. Das Gericht wies darauf hin, dass eine Stellungnahme des Jugendamts auch nach Einvernahme der Mutter und sonstigen Bezugspersonen des Kindes möglich gewesen wäre.

      Ferner stellten die Richter klar, dass das Gesetz vor der Entscheidung über einen Adoptionsantrag eine persönliche Anhörung des anzunehmenden Kindes zwar grundsätzlich vorsieht. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Vielmehr können besondere Umstände vorliegen, die es ausnahmsweise rechtfertigen, von der an sich zwingend vorgeschriebenen Anhörung abzusehen. Dies ist dann der Fall, wenn durch die Anhörung das Kind aus seinem seelischen Gleichgewicht gebracht würde und eine Beeinträchtigung seines Gesundheitszustands zu befürchten wäre. Ob diese Voraussetzungen hier vorlagen und ob nicht eine "schonende" Anhörung des Kindes möglich ist, ohne die tatsächlichen Abstammungsverhältnisse offen zu legen, wird nunmehr das Familiengericht nochmals überprüfen müssen.


      Beschluss des BayObLG vom 04.08.2000
      1 Z BR 103/00
      FamRZ 2001, 647
      NJW-RR 2001, 722